Der Schoepfer
Er sollte lieber etwas tun .
»Welche Jugendliche?«, fragte Lárus.
»Das erzähle ich dir später«, antwortete Sveinn.
Lárus zögerte einen Moment und ging dann in den Flur, wo Lóa ihn mit seiner knirschenden Lederjacke und seinen Schuhen herumhantieren hörte. Dann trat er in die Türöffnung und sagte: »Meldet euch einfach, wenn ihr was braucht.«
XV
Mittwoch und Mittwochabend
Etwa zwei Stunden waren vergangen, seit Lárus angerufen und mitgeteilt hatte, er hätte den Auftrag ausgeführt. Sveinn vertrieb sich die Zeit, indem er Patiencen legte, während sich Lóa mit dem Telefon im Schlafzimmer eingeschlossen hatte. Der unterdrückte Klang ihrer Stimme erinnerte ein wenig an Walgesänge in den Tiefen des Ozeans und passte gut zu den Karten, die mit Bildern von Trawlern geschmückt waren.
Die Herz-Königin ähnelte Lóa, und die Pik-Königin war wie ihre Freundin Björg. Die beiden anderen Königinnen waren völlig unbekannt, aber Sveinn taufte sie im Geiste: Móa und Örg.
Als das Handy klingelte, sickerte eine giftige Angst in sein Nervensystem – er musste unbedingt den Klingelton ändern, sobald er sich sicher war, dass die Drohungen aufgehört hatten.
»Ich dachte, du wärst mein Freund, und jetzt entpuppst du dich als Wolf im Lammfellmantel«, sagte Kjartan und wirkte so atemlos, als sei er gerannt.
Sveinn grinste breit. »Was meinst du? Was habe ich verbrochen? «
»Deinen Freunden lügst du vor, du würdest zu Hause bleiben, und dann machst du dich ganz alleine auf eine beschwerliche Reise und hältst einen noch nicht mal auf dem Laufenden.
Findest du, dass ich das verdient habe? Wo ich dich jahrelang durch Dick und Dünn nach Athen getragen habe? Und dann bekommt man mit, dass du dich im Lager des Feindes aufhältst – und? Konntest du sie überwältigen? Hat sie gestanden und bereut?«
»So gesehen schon. Zumindest hat sie mir seit heute Morgen nicht mehr mit Mord gedroht.«
Kjartan prustete los. Sein lautes, heiseres Lachen klang so, als würde es seine Luftröhre zerkratzen. »Du bist mir ja einer«, sagte er, als er endlich wieder sprechen konnte. »Du bist doch vorgestern losgefahren, oder? Und was machst du immer noch da? Unter ihrem Rock rumschnüffeln, oder was? Ich hab dir doch geraten, es zu lassen.«
Jetzt fing er an zu singen, und Sveinn konnte sich nur wundern, wie musikalisch er war und wie schön seine Stimme klang: »Die kleine Lóa aus Brú, die ist hübsch wie eh und je, und von den Männern, da sagt keiner nee …«
»Du hörst einfach nie auf mich, alter Junge«, fügte er im Anschluss an das Lied hinzu.
»Findest du, ich sollte auf dich hören?«, entgegnete Sveinn. »Würdest du auf jemanden wie dich hören?«
»Das würde ich allerdings, solange nichts Besseres im Angebot ist.«
»Da sagst du was«, konterte Sveinn, und auf diese Weise redeten sie weiter über nichts, bis Sveinn merkte, dass Kjartan ihm nur irgendwelche Geschichten aus der Nase ziehen wollte, die er weitererzählen konnte.
»Also dann, entschuldige mich«, sagte er. »Ich muss jetzt die Diebin und die Puppe voneinander trennen. Die fallen übereinander her wie betrunkene Schlammcatcherinnen, sobald ich sie aus den Augen lasse.«
Kjartan gab ein merkwürdiges Geräusch von sich, das Belustigung ausdrücken sollte. Die Formulierung entsprach natürlich genau seinem Geschmack. Vor ein paar Jahren hatte er ständig von diesen Wettkämpfen in irgendeinem Club gefaselt, der darin bestand, dass zwei Frauen versuchten, sich in einem Becken mit Royal-Schokoladenpudding gegenseitig umzuwerfen.
Als Sveinn das Telefonat gerade beendet hatte, klingelte sein Handy schon wieder. Es war seine Mutter, die Therapeutin.
»Wie geht’s dir, Svenni?«, fragte sie.
»Ganz okay.«
»Ich dachte, ich könnte mal kurz bei dir vorbeikommen, bist du zu Hause?«
»Nein, und du solltest auch nicht rausgehen. Es ist Sturmwarnung. «
»Du bist nicht zu Hause? Wo bist du denn dann?« Sie klang ehrlich verwundert darüber, dass er nicht zu Hause war. Wie tief war er eigentlich gesunken, wenn seine Mutter schon glaubte, ihn jederzeit antreffen zu können? Was sagte das über sein Sozialleben aus, geschweige denn über sein Liebesleben?
»Ich bin zu Besuch bei meiner Freundin«, sagte er.
»Ach jaaaa?«, entgegnete seine Mutter und sah wahrscheinlich schon ihre zukünftige, ständig schwangere Schwiegertochter vor sich, mit der sie Rezepte und Pflanzenableger austauschen konnte.
Sveinn musterte die welken
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