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Der Schoepfer

Der Schoepfer

Titel: Der Schoepfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gudrún Eva Mínervudóttir
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schicken Pick-up und ein Haus und paar Millionen auf der Bank. Das kennst du doch bestimmt, zumindest habe ich den Eindruck, dass du deine Schäfchen ins Trockene gebracht hast.« Er ließ seinen Blick mit übertriebenen Kopfbewegungen durch den Raum schweifen.
    Sveinn wusste nicht, warum er das, was er als Nächstes äußerte, eigentlich sagte. Jedenfalls nicht aus purer Gemeinheit. Er war hungrig, was bei ihm dasselbe wie reizbar bedeutete. Die Schmerzen trübten sein Urteilsvermögen und unterdrückten sein Mitgefühl. Und er sah rot, wenn man ihn wie einen Hund behandelte. Außerdem hatte Lóa ihn in den vergangenen Tagen so provoziert, dass sie, wie er fand, keine Nachsicht verdient hatte.
    »Hat sich die Scheidung gelohnt?«, fragte er. »Ist dein Exmann ein fetter Business-Hai?«
    Lóa blinzelte hektisch mit den Augen, als hätte man sie geohrfeigt, und Sveinn schämte sich auf Anhieb. Aber nicht genug, um sich zu bremsen.
    »Die kleine Lóa aus Brú, die ist hübsch wie eh und je«, sang er. »Und dumm dumm dumm dumm und bumm bumm bumm bumm und ihre Geschichte ist allseits bekannt. Sie haben Kinder und ein Haus und allerhand. Doch er schuftet wie ein Pferd und hat selten frei, denn Lóa braucht so allerlei.«
    Ihr Gesicht entglitt, und er dachte, sie würde in Tränen ausbrechen. Er musste den Nagel auf den Kopf getroffen haben. Er hatte jedenfalls nicht mitbekommen, dass sie arbeiten ging.

    Lóa atmete unnatürlich schnell, und ein unterdrücktes Schluchzen kam über ihre Lippen.
    Das Gewissen – die Angst – traf Sveinn mitten ins Herz, und einen Moment überkam ihn das Gefühl, er hätte sich eines schrecklichen Verbrechens schuldig gemacht. Was war schon dabei, wenn eine zweifache Mutter vom Geld des Kindsvaters lebte? Wie konnte er es wagen, ihr das unter die Nase zu reiben, als ob es eine furchtbare Schande wäre? Was dachte er sich eigentlich dabei, einen anderen Menschen, der offenbar nur eine Haaresbreite von einem Nervenzusammenbruch entfernt war, derart anzugreifen?
    »Entschuldige, ich…«, setzte er an, aber sie brachte ihn mit einem Schrei zum Schweigen, der wie ein dickflüssiges Konzentrat aus jahrtausendealter Rache klang und das Kleid auf ihrer Brust erzittern ließ. Alles Menschliche schien ihrer Wut gewichen zu sein, und das Tierische blieb in der Falle ihres Körpers stecken. Sveinn hatte keine solche Angst mehr gehabt, seit er mit zwölf Jahren von einem Hund angefallen und ins Bein gebissen worden war. Die Narbe war immer noch sichtbar: rot, weiß und wulstig.
    Er stieß ein schnaubendes Lachen aus, wie immer, wenn er sehr große Angst hatte – wie damals, als der Hund mit hasserfüllten Augen und nervösem Zittern um die entblößten Zähne auf ihn zugerannt war. Entweder war sein Gehör vor Schreck verzerrt, oder Lóas Stimme hatte sich total verändert: »Dir ist alles um dich herum scheißegal, oder? Wer zum Teufel bist du eigentlich? Was ist das für ein Leben zwischen all diesen toten Gegenständen?«
    »Ich weiß nicht genau …«
    »Du weißt genau, was ich meine!«, kreischte sie, dass seine Ohren fast taub wurden. Dann zog sie plötzlich ihren Slip herunter
und stieß ihn mit einer Heftigkeit von sich, die wie Öl in das aufgewühlte Feuer in seinem Kopf wirkte, hob den Saum ihres Kleides hoch über ihren Kopf und entblößte ihr Geschlecht und ihre Brüste.
    »N … nein«, sagte er und gestikulierte wild in der Luft. Lóa durfte sagen, was ihr in den Sinn kam, er konnte alles ertragen, sein Rücken war breit genug, um als Punchingball für eine verzweifelte Frau zu dienen.
    Aber warum konnte sie sich nicht beherrschen? Weshalb musste sie sich so erniedrigen?
    »Was soll ich für dich tun?«, sagte sie mit heiserer, schriller Stimme, die den Schmerz in Sveinns Schulter übertönte. »Bin ich Körbchengröße B und unrasiert? Das Verfallsdatum noch nicht ganz überschritten, obwohl die Titten schon ziemlich hängen?«
    Ihr Schlüpfer lag auf dem Boden wie ein Vogelbalg, wie der Balg einer verzauberten Friedenstaube: ein weißer Baumwollslip mit ockerfarbenen Rüschen. Erschütternd leblos, als sei ihm etwas genommen worden, und Lóa kroch jetzt auf allen Vieren, hatte immer noch das Kleid über den Kopf gezogen, das blaugrüne Kleid, das nur ihr Haar und ihr Gesicht verdeckte. Ihre Hände und Knie auf dem staubigen Boden, ihr nackter Hintern, der in die Luft ragte, ihre bebenden Brüste – das alles war doppelt erschütternd, weil ihr Kopf unter dem Kleid verborgen

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