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Der Schoepfer

Der Schoepfer

Titel: Der Schoepfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gudrún Eva Mínervudóttir
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so verändert hat.«
    »Sind Sie miteinander verwandt?«, fragte die Heimleiterin, lehnte sich im Stuhl zurück und wirkte nicht so, als nehme sie Lóas aufdringliche Art persönlich.
    »Nein«, antwortete Lóa. »Sie ist eine Freundin der Familie.«
    Die Heimleiterin überlegte, tippte ihre Computertastatur an, rückte einen Bilderrahmen und ein Glas mit Stiften zurecht und sagte dann: »Ich denke, es ist in Ordnung, wenn ich Ihnen etwas über sie erzähle. Ich hatte selbst gerade erst angefangen, hier zu arbeiten, als sie vor dreißig Jahren hergeschickt wurde.«
    »Das kann nicht sein«, protestierte Lóa. »Es ist noch gar nicht so lange her, als sie auf meine Töchter aufgepasst hat, und da war sie zweiundsiebzig. Hat sie jedenfalls gesagt. Ich fand allerdings, dass sie älter aussah.«
    »Wir sprechen von derselben Person, meine Liebe«, sagte die Heimleiterin. »Sie war gerade mal vierzig, als sie sie herbrachten. Es war nach dem Tod ihrer Mutter die beste Lösung für sie. Die war hier im Ort berühmt. Ich kann mich noch gut an sie erinnern. Wir Kinder hatten Angst vor ihr, sie brach schnell in Tränen aus, wenn jemand sie ansprach. Sie hat ihren bodenlangen, schwarzen Sonntagsmantel nie ausgezogen, obwohl sie in der Fischfabrik arbeitete und der Mantel längst völlig verdreckt war. Sie hat sich wohl nie davon erholt, dass ihr Freund damals die Verlobung gelöst hat.«
    Sveinn hörte widerstrebend zu, wie die Heimleiterin erzählte, das Unglückskind Marta sei jahrzehntelang in dem stinkenden Haus eingesperrt gewesen, aus Rache für die Treulosigkeit ihres Vaters.
    Das war alles etwas zu abenteuerlich für Sveinns Geschmack, und er bereute es, sich nicht aus dem Staub gemacht zu haben, als sich die Gelegenheit dazu geboten hatte. Er hätte schon längst zu Hause sein, die Schwarzhaarige sauber gemacht, ihr ein neues Kleid angezogen und sie in den Karton verfrachtet haben können. Wobei, das stimmte ja gar nicht. Nichts von alldem konnte er tun, solange sein linker Arm nutzlos auf seiner Brust baumelte. Also konnte er genauso gut dasitzen und zuhören,
wie sich die beiden Frauen in Unglück und Horror suhlten, wie Frauen es nun mal taten.
    »Ich habe gehört, sie wäre ans Bett gefesselt worden«, sagte die Heimleiterin. »Es war ein Kinderbett, das mit der Zeit natürlich viel zu klein für sie wurde. Sie durfte niemanden sehen, nur einmal wurde ein Arzt gerufen, der ihr Penizillin verschrieben und ihr seine Uhr geschenkt hat. Ich weiß nicht, wie ihre Mutter es bewerkstelligt hat, sie nicht zur Schule zu schicken. Ich weiß nicht, warum die Leute das zugelassen haben, in einem so kleinen Ort, wo jeder jeden kennt. Aber so war es.«
    Sie drehte einen blauen Kugelschreiber zwischen ihren Fingern und fügte hinzu: »Ich habe Marta einmal gesehen, als ich klein war. Ein schneeweißes Gesicht hinter dem Fenster.«
    Sveinn schaute zu Lóa und sah, dass sie total am Ende war. Es musste unangenehm sein, solche Geschichten über eine Frau zu hören, die auf ihre Töchter aufgepasst hatte. Er rutschte auf seinem Stuhl herum und betastete seinen gefühllosen Finger. Die Schmerzen in seiner Schulter waren unerträglich, aber er konnte die geklauten Tabletten nicht vor dieser fremden Frau nehmen, der er instinktiv Respekt dafür zollte, mit dem Herz bei der Arbeit zu sein. So wie er.
    »Wir haben sie zu dritt gebadet, als sie herkam«, erzählte die Heimleiterin. »Sie hatte nicht nur Läuse, sondern auch Flöhe, die ich selbst ertrinken sehen habe. Ich dachte, das überlebe ich nicht. Wir mussten ihr beim Baden die Uhr abnehmen, aber sie hat sich so daran festgekrallt, dass das Band gerissen ist. Anschließend haben wir selbst ein Läusebad genommen, zur Sicherheit.«
    Die Heimleiterin befeuchtete ihre Lippen, ohne dass der Lippenstift abging, und fügte hinzu: »In den ersten Wochen hatte sie Angst vor Zugluft und konnte ohne fremde Hilfe nicht
über eine Türschwelle gehen. Wir mussten sie an die Hand nehmen und von einem Zimmer ins andere führen. Sie durfte in ihrem Zimmer essen, weil sie sich nicht zu den anderen in den Speisesaal traute. Sie hatte Angst vor fremden Menschen, großen Zimmern, fast allen Lebensmitteln, dem Radio, schnellen Bewegungen, fließendem Wasser, Kindern und Tieren.«
    »Die arme Frau«, dachte Sveinn. »Die arme, bedauernswerte Person.«
    »Ihre Mutter hat ihr Lesen beigebracht und ihr Bücher aus der Bücherei ausgeliehen«, erzählte die Heimleiterin. »Sie liest immer noch gerne, das

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