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Der Schoepfer

Der Schoepfer

Titel: Der Schoepfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gudrún Eva Mínervudóttir
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sie laut brüllend zurück – »Pass auf die Beine
auf!« –, knallte die Autotür zu, bückte sich, nahm mit seiner unverletzten Hand die Fußgelenke der Puppe und humpelte hinter Lóa her, die sich mit der Last rückwärts tastete, bis sie an der Tür angelangt waren. Dort platzierte er die nackten Füße der Puppe vorsichtig auf den Boden, fischte den Schlüssel aus seiner Manteltasche und öffnete die Tür.
     
    Sie legten die Puppe auf einer sauberen Plastikplane in der Werkstatt auf dem Boden ab und gingen wieder in die Küche. Lóa setzte sich an dem Tisch, Sveinn holte Brot und Aufschnitt aus dem Kühlschrank, briet ein paar Eier und schwenkte eine Flasche Portwein.
    »Nur ein Glas«, sagte Lóa.
    »Ach was«, sagte Sveinn. »Meine Großmutter väterlicherseits hat, als ich siebzehn war, zu mir gesagt: Willst du etwa nie anfangen zu trinken? Willst du dein Leben wirklich als Abstinenzler verbringen wie dein Großvater? Nüchternheit ist was für Leute, die sich nicht trauen, dem Irrealen ins Auge zu schauen. Eine Garantie für Unglück und Elend. Schau dir deinen Großvater an, diesen Idioten, nüchtern wie ein Baby. Bei ihm sind alle Tage gleich, und er ist jeden Tag gleich, immer gleich langweilig. «
    Lóa lachte laut auf, den Geschmack des Portweins wie ein honigsüßes Blumenfeld auf den Lippen. Das Lachen rührte an der Panik und der Sorge in ihrem Inneren, und sie bekam wieder einen Kloß im Hals und legte die Scheibe Brot weg, ohne hineingebissen zu haben. Sie stand auf. Die Tränen ließen sich kaum noch zurückhalten.
    »Wo ist das Bad?«, fragte sie und schluckte mehrmals. »Ich habe es letztens schon gesucht und nicht gefunden.«
    »Im Flur, erste Tür rechts«, antwortete Sveinn.

    »Die habe ich versucht, die war abgeschlossen.«
    »Nein, nur verzogen von einem Wasserschaden. Man muss sie beim Öffnen ein bisschen anheben und sich beim Zumachen dagegenlehnen. Es gibt noch ein zweites Klo am Eingang, direkt gegenüber der Haustür.«
    Lóa eilte in das Bad am Eingang, schloss hinter sich ab und musterte den Raum, das verschlissene, aber saubere Handtuch, das an einem verbogenen Nagel hing, die weiße, abblätternde Tapete, das hellgrüne Klo und das dazu passende Waschbecken. Hier war sie schon mal gewesen, wahrscheinlich öfter als einmal, an dem Abend, als der Reifen geplatzt war, aber am nächsten Morgen war sie zu betrunken oder zu verzweifelt gewesen, um sich daran zu erinnern.
    Sie stützte sich am Waschbecken ab und schaute in den Spiegel. Ihre Gesichtsmuskeln waren wie erstarrt, ihre Augen hart und kalt. Sie kannte die Frau im Spiegel nicht, und ein Schauer kroch über ihren Rücken. Der Kloß steckte in ihrem Hals fest, aber es kamen keine Tränen. Also brauchte sie sich auch nicht in diesem Raum mit dem starken Putzmittelgeruch, der in der Nase und den Augen juckte, einzuschließen.
    Sie nahm wieder am Tisch Platz und setzte zu einem zweiten Versuch mit dem Butterbrot und dem Portwein an. Die Kaffeemaschine spritzte die letzten Tropfen in den Filter, und Sveinn stellte eine randvolle Tasse mit schwarzem Kaffee vor ihr auf den Tisch. Sie trank die Hälfte davon, obwohl ihr Magen heftig protestierte.
    Von der Garderobe am Eingang drang dumpfes Telefonläuten zu ihnen. Sveinn stellte seine Tasse ab und ging raus, doch als er mit angstvollem Gesicht zurückkam, klingelte das Telefon in seiner Hand immer noch.
    »Willst du nicht rangehen?«

    »Das bringt nichts«, antwortete er und knetete eifrig seinen kleinen Finger, eine schlechte Angewohnheit von ihm. »Das ist die nette Bekannte, die ich noch nie getroffen habe. Die macht unglaubliche Komplimente, die lassen einen einfach nicht kalt.«
    Lóa wurde schlecht bei dem Gedanken an die Beschimpfungen, die sie gestern Abend am Telefon mitanhören musste.
    Sveinn öffnete die Schublade unter dem Spülbecken, zog eine Karte heraus und reichte sie ihr.
     
    Unser Schöpfer und Vater in Sünde, Sveinn Gudmundsson , verstarb unerwartet am Freitag, dem dreizehnten Juni, im Kreise seiner Familie.
    Die unschuldigen Püppchen
     
    »Das lag an dem Morgen, als du die Schwarzhaarige mitgenommen hast, bei mir im Briefkasten. An dem Tag hat der Telefonterror richtig angefangen«, erzählte er. »Bis dahin hat sie nur ein paar Mal angerufen und immer direkt aufgelegt, wenn ich rangegangen bin.«
    Er verstummte, senkte den Blick und fügte dann hinzu: »Ich dachte, du wärst es gewesen.«
    Es dauerte eine ganze Weile, bis die Bedeutung dieser Worte zu

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