Der schottische Verfuehrer
konnte ein noch so dünner Spalt oder eine geringfügige Unebenheit sein. Er ließ den
Blick die untere Kante eines Wandteppichs entlangwandern, und gerade wollte er woanders weitersuchen, da fiel ihm etwas auf. Ein Schatten, der nicht dort sein durfte. Fast genau auf der Höhe der Teppichkante schien sich der Umriss einer Tür abzuzeichnen. Hätte er nicht ganz bewusst danach gesucht, wäre ihm die kleine Erhebung nicht aufgefallen, ganz wie vom Burgherrn beabsichtigt.
„Schau dir die Tapisserie an der Wand dort an“, flüsterte Duncan Isabel zu. „Darunter versteckt sich eine Tür.“
Sie stemmte sich seitlich hoch, dabei stießen ihre Brüste an seine Schulter; fast hätte er aufgestöhnt. „Ich kann nichts sehen.“
„Du musst auf den Rand unten achten.“ Duncan konnte es nicht fassen, wieso Frasyers Geliebte nichts von dem Geheimgang wusste. Was hatten sie hier gemacht? Hatten sie einander sofort die Kleider vom Körper gerissen, sobald sie den Raum nur betraten? Hatten sie nicht zumindest miteinander geredet, nachdem sie ihre erste Leidenschaft gestillt hatten?
Er verstand immer weniger die seltsame Beziehung, die Isabel und Frasyer offenbar verband. Welcher Liebhaber warf seine Geliebte ins Verlies? Und was hatte ihr Vater damit zu tun?
„Jetzt habe ich sie entdeckt“, wisperte sie aufgeregt, dabei strich ihm ihr Atem warm über den Hals. „Vielleicht bewahrt er dort seine Juwelen auf. Wenn das so ist, dann könnte auch die Bibel dort sein.“
„Da sich die Tür in der Wand nicht in ein Zimmer hinein öffnet, handelt es sich höchstwahrscheinlich um einen geheimen Durchgang.“
Sie ließ sich auf den Rücken zurückgleiten. „Meinst du?“ Sein Fieber stieg noch immer. Unmöglich konnte er sie derart geschwächt in einer Auseinandersetzung beschützen. Er konnte es nicht riskieren, länger auf Moncreiffe Castle zu bleiben. Allerdings gefiel ihm der Gedanke überhaupt nicht, später noch einmal zurückkommen zu müssen.
„Isabel?“
„Aye?“
Duncan holte tief Luft vor seinem Geständnis. „Sollte hinter der Tür ein Geheimgang sein, müssen wir das nutzen, um zu fliehen - egal ob wir die Bibel haben oder nicht. Mein Arm muss dringend versorgt werden.“
Besorgt schaute sie zu seinem verwundeten Arm, aber zugleich konnte man ihrer Miene ansehen, wie enttäuscht sie war. „Dann können wir wohl nur hoffen, dass wir durch die Tür tatsächlich nach draußen gelangen.“
Es überraschte ihn, wie ruhig sie es hinnahm, nachdem sie sich nach der Flucht aus dem Verlies noch entschieden geweigert hatte, Moncreiffe Castle ohne die Bibel ihrer Mutter zu verlassen. Warum war sie jetzt entschlossen, einfach mit ihm zu gehen? Er schloss aus, dass es allein aus Sorge um ihn geschah. Hätte sie sonst vor drei Jahren ihr Verlöbnis gebrochen, um Frasyers Geliebte zu werden? Nay, etwas stimmte hier nicht. Duncan spürte, dass irgendetwas ganz anderes dahintersteckte.
Als er ihr versprochen hatte, gemeinsam mit ihr nach der Bibel zu suchen, geschah das nicht nur wegen seines Schwurs gegenüber Symon, sondern auch, um Lord Caelin zu helfen. Aber jetzt kam noch ein weiterer Grund hinzu: Er wollte die Wahrheit über das Verhältnis von Isabel und Frasyer herausfinden.
„Kannst du gehen“, erkundigte sie sich.
„Ich bin am Arm verwundet, nicht am Bein. Natürlich kann ich gehen.“
Verstimmt zog sie die Brauen zusammen. „Oder notfalls kriechen. Jeden Moment kannst du zusammenbrechen. Nicht, dass du das zugeben würdest“, warf Isabel ihm vor. „Du hast dich nicht geändert, Duncan MacGruder. Du bist immer noch derselbe störrische alte Esel.“
„Fang jetzt nicht damit an, mir Komplimente zu machen“, presste er unter Schmerzen hervor. „Sonst denke ich am Ende, dass du noch immer etwas für mich empfindest.“
Fast hätte sie aufgelacht, dann ermahnte sie ihn: „Duncan, die Situation ist ernst.“
Ächzend bewegte er sich in eine angenehmere Position, aus der sein Blick auf die gegenüberliegende Wand fiel. Auch an die-ser Stelle zeichnete sich auf einem Teppich ein fast unsichtbarer Schatten ab. „Siehst du dort links? Da ist noch eine Tür.“ Isabel lehnte sich nach vorne. „Vielleicht bewahrt er dahinter seine Wertsachen auf.“
„Möglich. Wenn wir zurückkommen, schauen wir nach.“ Sie wandte sich ihm zu, ihre Miene verriet ihre Unsicherheit. „Es tut mir leid. Ich wollte dich nicht in all das mit hineinziehen.“ Nebenan erklang ein lautes Klopfen an der Tür.
„Tretet
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