Der schottische Verfuehrer
Isabels Blickfeld, die Augenbrauen besorgt zusammengezogen. „Wie geht es Euch?“
„Danke, mir geht es gut“, erwiderte sie.
„Das glaubst du doch selbst nicht“, meinte Duncan.
„Reich sie mir herunter“, wies Seathan ihn an.
„Das schaffe ich schon alleine“, meinte sie.
Duncan achtete nicht auf sie und hob sie über den Wagenrand. Seathan nahm sie an der Hüfte und setzte sie ohne Anstrengung auf den Boden. „Vorsichtig.“
Duncan sprang herab, noch erschüttert davon, wie knapp sie Isabels Entführung durch die Händler verhindert hatten. Zum Glück war er ihr nach draußen gefolgt, um mit ihr zu reden. Er nahm Isabels Hand. „Geh auf dein Zimmer und ruh dich aus.“ „Die Männer“, fing sie an. Ihr Gesicht war blass, die Stimme angstbelegt. „Sie wollten mich zu Frasyer bringen. Wie ich sie verstanden habe, hat er eine Belohnung auf mich ausgesetzt.“ Duncan warf Seathan einen kurzen Blick zu. „Das bedeutet, er weiß nicht, wo sie sich befindet.“
„Ein gutes Zeichen! Somit ist sie hier in Sicherheit“, schloss sich Seathan an und wandte sich an Isabel: „Ab jetzt werden wir jedoch nichts mehr riskieren. Bis Lord Caelin frei ist, werdet Ihr in der Burg bleiben, bei Leuten, denen ich vertraue. Niemand sonst soll Euch zu Gesicht bekommen oder Euch hier im Hof zufällig begegnen.“
Sie wollte protestieren, verkniff es sich jedoch. Nichts konnte sie hier halten - aber das verriet sie ihm besser nicht. „Was ist mit der Bibel meiner Mutter?“
„Wir werden sie finden“, beruhigte Duncan sie. „Noch ein Tag, höchstens zwei, dann kann ich aufbrechen. Und du bleibst hier.“ Bislang war er keinesfalls davon überzeugt, ob sie Frasyer nicht doch die Treue hielt. Trotzdem wollte er sie in Sicherheit wissen. Er wies mit dem Kopf zur Burg. „Ich begleite dich hinein, bevor du erfrierst.“
„Ich kümmere mich um die beiden Männer. Sie werden es noch bedauern, es gewagt zu haben, in meine Burg einzudringen.“ Damit stürmte Seathan davon.
Unterwegs traf er auf Alexander, der vom Bergfried kam. Seathan erklärte ihm, was vorgefallen war. Alexander konnte es nicht fassen. Nach einem kurzen Blick zu Isabel folgte er Seathan. Als die beiden Brüder zum Turmverlies eilten, war klar, was sie dort wollten.
Duncan hätte sich nur zu gern eigenmächtig Isabels Angreifern gewidmet. Er hätte nicht eher von ihnen abgelassen, als bis sie um ihr Leben flehten. Aber im Augenblick war Isabels Wohlergehen wichtiger. Er zog sie an seine Seite, ohne auf die Schmerzen in seinem Arm zu achten. Schneeflocken wirbelten um sie herum, als Zeichen der Unschuld, das so gar nicht zu dem gerade erlebten Tumult passte.
Die Leute auf dem Burghof nickten ihnen zu, während sie vorbeigingen. Duncan erwiderte zerstreut ihre Ehrerbietung, doch all seine Aufmerksamkeit galt allein Isabel und ihrem schrecklichen Erlebnis.
Beinahe hätte er sie verloren.
Die Ironie, die in seiner Feststellung lag, quälte ihn. Hatte sich ihr Verhältnis denn geändert, seit er ihr geholfen hatte, aus Frasyers Verlies zu entkommen? Über die Umstände ihrer Gefangennahme hatte sie ihm nur wenig verraten. Jede einzelne Auskunft musste man ihr mühselig entreißen, dennoch war sie ihm wichtig, wie er sich eingestehen musste. Sie, die einst so vieles für ihn gewesen war: seine Freundin, seine Vertraute, seine künftige Frau, seine Seelenverwandte. Jedenfalls hatte er das geglaubt. Und noch immer konnte sie Gefühle in ihm erwecken, die niemand sonst ansprach.
Ein Ritter hielt ihnen die Tür offen. „Sir Duncan.“
„Ich danke Euch.“ Die quälenden Fragen zu ihrem Verhältnis überwältigten Duncan, und er nahm Isabels Hand, als sie in die Burg eintraten. Er überging die neugierigen Blicke der Leute im
Saal und auch Isabels Versuch, sich loszumachen. Nachdem er sie fast verloren hatte, musste er sie einfach festhalten und spüren, wie ihr Puls unter seinen Fingern schlug.
Sie presste fröstelnd ihr Gesicht an seine Schulter.
Aufgewühlt wie er war, schwor er sich insgeheim, für ihre Sicherheit zu sorgen, egal wie hoch der Preis war, den er dafür zahlen musste.
„Isabel?“, flüsterte Duncan sanft.
Sie öffnete die Lider. Er saß neben ihr auf dem Bett und betrachtete sie mit sorgenvoller Miene. Ihr wurde warm ums Herz. So wie sie sich zuvor um ihn gekümmert hatte, schien nun er sich um sie zu kümmern. Doch würde ihm der Vergleich sicher nicht gefallen, da die Erinnerung an ihren Verrat ihn sicher weiterhin
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