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Der Schrei der Engel: Thriller (German Edition)

Der Schrei der Engel: Thriller (German Edition)

Titel: Der Schrei der Engel: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R.J. Ellory
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blassblau, wodurch seine Augen im Dunkeln lagen.
    Es war kurz vor zwei Uhr am Nachmittag. Sie hatten mit etwas mehr als der Hälfte der Angestellten gesprochen, ohne dass sich – jedenfalls sah es bisher so aus – irgendetwas Bedeutsames ergeben hätte; irgendetwas, bei dem sich Parrishs Nackenhaare gesträubt hätten. Alle reagierten hilfsbereit und schienen die Notwendigkeit zu begreifen, über die Gespräche Stillschweigen zu bewahren. Sie wirkten betroffen angesichts des Umstands, dass eine Verbindung zwischen ihrer Dienststelle und den Morden an mindestens fünf jungen Mädchen bestehen mochte, die alle auf die eine oder andere Weise zu den Glücklosen, Benachteiligten, ja, Verlorenen gezählt hatten.
    »Es kommt einem so traurig vor, wenn jemand, der sowieso schon ein Opfer war, noch einmal zum Opfer gemacht wird«, äußerte ein gewisser Harold Kinnear, ein dreiundfünfzigjähriger Veteran der Behörde.
    »Ich habe jetzt seit fast dreißig Jahren mit Adoptierten und Ausreißern und Staatsmündeln zu tun«, fuhr er fort. »In den Achtzigern war es nicht leicht, und heute ist es noch schlimmer. Es scheint, dass uns, je zivilisierter und kultivierter wir werden, die Fähigkeit immer mehr abhandenkommt, für unsere eigenen Kinder zu sorgen.«
    Parrish fühlte sich von Kinnears letztem Satz direkt angesprochen – als einer der schlechtesten Väter der Welt.
    McKee wirkte auf Parrish von Beginn an ernsthaft und kooperativ. Ja, er hatte von dem Mord an Jennifer Baumann gehört. Lester Young hatte ihm davon erzählt. Lester war der zuständige Sachbearbeiter für das Mädchen gewesen, wegen dessen mutmaßlichem Missbrauch damals Zeugen befragt worden waren.
    »Ich kann mich an den Namen des Mädchens nicht erinnern«, erklärte McKee. »An den Namen des Missbrauchsopfers. Aber ich weiß noch, dass Lester ihr zuständiger Sachbearbeiter war. Und ich erinnere mich an das Mädchen, das ermordet wurde. Ich weiß, dass er mir davon erzählt hat. Er war zusammen mit der Polizei bei dem Mädchen gewesen, um sich mit ihr zu unterhalten, und kurz darauf erfuhr er, dass jemand sie getötet hatte. Das brachte ihn wirklich aus der Fassung.«
    Radick warf Parrish einen Blick zu, und Parrish fühlte sich, als wäre ihm das Herz in die Hose gerutscht. Zum zweiten Mal war der Name Lester Young gefallen …
    »Aber Lester arbeitet nicht mehr hier. Er ist zur Bewährungsbehörde gegangen.« McKee seufzte vernehmlich. »Ich versuche, mich an alle Fälle zu erinnern, doch das ist schwierig. So viele Namen und Gesichter und Akten, und man schärft uns ein, nichts davon persönlich an uns herankommen zu lassen.« Er schaute einen Moment zur Seite, dann rang er sich ein Lächeln ab und blickte Parrish ins Gesicht. »Man versucht, es nicht persönlich zu nehmen, sondern einfach als Teil der Arbeit, verstehen Sie? Aber manchmal kann man gar nichts dagegen tun.«
    Auch der Name Karen Pulaski war McKee ein Begriff; allerdings wusste er nicht, dass sie ebenfalls ermordet worden war.
    »Natürlich liegt alles, was ich über ihren Fall wusste, weit zurück«, sagte er. »Und das, was ich wusste, erscheint mir für Ihre Ermittlung nicht besonders relevant.«
    »Was ist mit den anderen?«, fragte Parrish. »Melissa Schaeffer, Nicole Benedict, Alice Forrester, Rebecca Lange, Kelly Duncan?«
    McKee schüttelte den Kopf, und wieder fing sich das Licht in seinen Brillengläsern, sodass sie seine Augen nicht erkennen konnten. »Nein«, sagte er, doch dabei schwang ein winziges Zögern in seiner Stimme mit.
    »Sind Sie sicher, Mr McKee?«, hakte Radick nach und beugte sich vor. Parrish spürte, dass auch seinem Partner das Zögern nicht entgangen war.
    »Wie gesagt, es ist nicht leicht, sich an jedes Gesicht und jeden Namen zu erinnern«, antwortete McKee. »Ich habe es jedes Jahr mit Hunderten von Fällen zu tun, mit manchen unmittelbar, mit anderen eher in überwachender Funktion und manchmal auch bloß, indem ich sie anderen Kollegen zuweise. Außerdem überwache ich auch die Arbeit von Angestellten in der Ausbildungsphase. Ich gehe die Akten noch einmal durch, bevor diese Mitarbeiter zur Prüfung zugelassen werden. Jedes Jahr habe ich mit einer Menge Leute zu tun, und diese Mädchen … na ja, es ist schon zwei Jahre her …«
    »Ich möchte ja bloß, dass Sie sich einen Moment Zeit nehmen und noch einmal nachdenken, Mr McKee«, sagte Parrish, ehe er die Namen der Mädchen wiederholte – einzeln und ganz langsam, aufmerksam auf jede kleinste

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