Der Schrei der Engel: Thriller (German Edition)
Dass die Dinge manchmal genau so sind, wie sie aussehen.«
»Ich habe aber auch gesagt, dass das Offensichtliche manchmal die Wahrheit verdeckt.«
»Natürlich ist McKee ein Musterangestellter, aber er war auch am meisten von allen mit den Fällen vertraut.«
»Was in der Natur der Sache liegt«, wandte Parrish ein. »Er bearbeitet seine eigenen Fälle, andere überwacht er, und schließlich betreut er noch die Mitarbeiter in der Ausbildung.«
Radick sagte nichts. Er schaute für einen Moment nach unten.
»Ich widerspreche Ihnen ja nicht, Jimmy. Ich behaupte nicht, dass er es nicht sein könnte, aber ohne irgendetwas, das direkt auf ihn hinweist, ohne Informationen über sein Auto oder … verdammt, er passt nicht mehr oder weniger ins Raster als alle anderen.«
»Wen würden Sie denn am ehesten für den Täter halten?«, fragte Radick.
»Ich möchte keinen von ihnen für den Täter halten«, antwortete Parrish. »Ich würde mich freuen, wenn es McKee wäre. Ich würde mich richtig freuen, wenn es so verdammt einfach wäre.«
»Aber wie kommen Sie auf ihn? Warum sagen Sie, dass Sie ihn gern als Täter hätten?«
Parrish atmete tief ein. »Bauchgefühl? Intuition? Scheiße, ich weiß es nicht. Er kam ins Zimmer, er setzte sich hin, und – ich weiß nicht, Jimmy, ich weiß es einfach nicht. Irgendeine Kleinigkeit, vielleicht gar nichts … vielleicht denke ich auch bloß an ihn, damit wir uns nicht weiterhin so verdammt im Kreis drehen. Ich habe nicht mehr Anlass, ihn zu verdächtigen als irgendeinen anderen. Wenn ich völlig logisch und rational vorgehe, dann ist da einfach nichts, und wenn ich …«
Er führte den Satz nicht zu Ende.
»Warum machen wir ihm dann nicht ein bisschen Druck?«, schlug Radick vor. »Bestellen wir ihn doch ins Revier, um ihn noch weiterzubefragen. Wir können ihn bitten , uns zu unterstützen, ganz informell. Und wenn er sich weigert, leuchtet ein kleines Warnsignal über ihm auf. Warum nicht?«
»Ja, so könnten wir vorgehen.«
»Ich habe nur eine einzige Sorge«, fuhr Radick fort.»Nämlich dass der zusätzliche Druck ihn dazu bewegen könnte, sämtliche Beweismittel, die sich eventuell in seinem Wagen oder seinem Haus befinden könnten, beiseitezuschaffen.«
»Der bloße Umstand, dass wir uns alle South-Two-Angestellten vorgenommen haben, dürfte das schon bewirkt haben«, sagte Parrish. »Wenn er etwas zu verstecken hatte, wird er das längst getan haben.«
»Aber sie übersehen immer irgendwas, oder?«, fragte Radick.
»Nicht alle«, erwiderte Parrish.
Radick zögerte. »Scheiße, Frank, wir steigern uns hier in etwas hinein. Nüchtern betrachtet hatte Lester Young viel engere Verbindungen zu den Mädchen als McKee.«
»Das stimmt natürlich, aber Lester Young haben wir noch nicht gefunden. Wir haben McKee, und in McKees Spind befanden sich Pornos mit jungen Mädchen.«
»Dann rufe ich Lavelle an und erkläre ihm, dass wir noch einmal mit McKee sprechen müssen und dass wir ihn vor dem Büro abholen, wenn seine Schicht zu Ende ist.«
Parrish schaute zur Uhr. Es war kurz nach zwei. »Scheiß drauf. Fragen Sie Lavelle, ob er ihn sofort gehen lässt.«
Radick erledigte den Anruf. Er konnte Lavelle nicht erreichen, sprach aber mit Raymond Foley. Foley hatte kein Problem mit ihrem Anliegen und erklärte, dass er McKee gern die nötige Zeit einräumen würde, um ihnen behilflich zu sein. Er erklärte, er wolle McKee sofort informieren und ihm sagen, dass Parrish und Radick ihn wegen weiterer Informationen sprechen müssten.
»Alles klar«, sagte Radick, als er das Gespräch beendet hatte. »Foley lässt ihn sofort gehen. Wir holen ihn vor South Two ab.«
»Na prima«, erwiderte Parrish. Er stand auf, zog seine Jacke wieder an und ging zur Theke, um für seinen Kaffee einen Becher zum Mitnehmen zu besorgen.
Binnen fünfzehn Minuten erreichten sie die Jugendbehörde, wo McKee – die Hände in den Taschen und den Kragen gegen die kühle Brise hochgeschlagen – bereits geduldig wartete.
In diesem Moment spürte Parrish eine gewisse Erregung, was McKee betraf. Er konnte den Grund nicht klar benennen, und doch ließ sich das Gefühl nicht abschütteln. Etwas Intuitives , so als hätte sich sein Gesichtsfeld plötzlich verändert und er könnte den Mann von hinten sehen. Seine wahre Persönlichkeit sehen. Das entdecken, was sich möglicherweise in ihm verbarg. Trotzdem wusste er genau, dass es für dieses Gefühl keinen triftigen Grund gab. Vielleicht wurde er bloß von
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