Der Schrei der Engel: Thriller (German Edition)
wir über Jenny Baumann … nicht Jennifer?«
»Ja, Jenny Baumann«, sagte McKee. »Ich glaube, es ist nicht ungewöhnlich, dass Mädchen mit dem Namen Jennifer auch Jenny genannt werden.« In seiner Stimme lag eine Spur Sarkasmus, den Parrish ignorierte.
»Erinnern Sie sich noch, wie Sie von ihrer Ermordung erfuhren?«
»Auch das sagte ich Ihnen. Lester Young erzählte es mir.«
»Und er war ihr Sachbearbeiter?«
»Nein, Jennifer war nie ein eigener Fall für uns. Lester war der zuständige Sachbearbeiter für ein anderes Mädchen, und dabei ging es um einen mutmaßlichen sexuellen Missbrauch. Jennifer galt damals als mögliche Zeugin, als jemand, der die Geschichte des Mädchens vielleicht bestätigen konnte. Soweit ich mich erinnere, wurde der Fall aber von der Polizei nicht weiterverfolgt.«
»Und Lester Young ging zur Bewährungsbehörde.«
»Ja, so ist es.«
»Haben Sie je mit ihm über Jennifer gesprochen?«
»Nein, das habe ich nicht.«
»Und woher wussten Sie über Karen Pulaski Bescheid?«
»Ich wusste von ihr, nichts über sie. Wie ich vorgestern sagte, war mir nicht bekannt, dass sie ermordet worden war.«
»Ja, das sagten Sie. Woher wussten Sie von ihr?«
»Nur durch Zufall. Anfang des Jahres wurde das ganze Verwaltungssystem geändert. Früher gab es Family Welfare South und Family Welfare North. Ich arbeitete natürlich im Südbezirk. Jeder dieser Bezirke wurde in acht Abteilungen aufgegliedert, und jetzt gehöre ich zu South Two. Wir mussten dafür sorgen, dass sämtliche Akten an der richtigen Stelle landeten, sowohl in Papierform als auch elektronisch. Das war ein riesiger Aufwand. Wir teilten die Akten untereinander alphabetisch auf, und zum Glück waren genügend Leute beteiligt, sodass sich jeder nur um zwei Buchstaben zu kümmern hatte. Ich bekam P und R. Das waren rund dreihundert Akten, darunter auch Karens. Sie landete bei einer anderen Abteilung, nicht bei uns in Two. Ich glaube, sie kam aus Williamsburg oder Ridgewood oder so.«
»Aus Williamsburg«, bestätigte Parrish.
»Genau. Na ja, sie gehörte jedenfalls früher zum Südbezirk und jetzt zu South Seven oder South Nine.«
»Und weshalb können Sie sich bei dreihundert Akten noch an sie erinnern?«
McKee lächelte verlegen. »Das klingt jetzt vielleicht dämlich.«
»Mir ist ganz egal, wie es klingt, Richard. Ich bin einfach neugierig, warum sie Ihnen im Gedächtnis geblieben ist.«
»Wegen ihres Namens.«
»Ihres Namens?«
»Karen Pulaski.«
»Ja, Richard, ich weiß, wie sie heißt. Ich fragte nur …«
»Meine Exfrau heißt Carole. Und ihr Mädchenname ist Paretski.«
Einige Augenblicke herrschte Stille.
»Carole Paretski«, stellte Radick dann nüchtern fest.
»Ja, das war ihr Mädchenname. Und der Name, den sie jetzt wieder angenommen hat. Ich weiß noch, wie ich auf die Pulaski-Akte schaute und dachte, wie ähnlich doch ihre Namen waren.«
»Was macht sie beruflich … Ihre Frau?«
»Sie arbeitet in einer Anwaltskanzlei beim Lafayette Park.«
»Sie ist Anwältin?«
»Nein, sie ist Sekretärin.«
»Und wie lange sind Sie schon geschieden?«
»Anfang 2005 war alles amtlich.«
»Wie alt sind Ihre Kinder jetzt?«, fragte Parrish.
»Meine Tochter, Sarah, ist vierzehn, und mein Sohn, Alex, ist fünfzehn.«
»Und sie leben bei ihrer Mutter?«
»Ja, während der Woche. Ich habe sie an jedem zweiten Wochenende samstags und sonntags. An den übrigen Wochenenden sonntags. Das liegt daran, dass ich jede zweite Woche samstags arbeite.«
»Aus diesem Grund waren Sie auch diesen Samstag im Büro.«
»Genau.«
»Und warum nehmen Sie die Kinder nicht jedes Wochenende komplett?«, fragte Radick.
»Ich brauche das Geld. Ich muss ihr immer noch jeden Monat einen Haufen Geld überweisen.« McKee warf Parrish einen Blick zu. »Das kennen Sie sicher, oder?«
»Nicht mehr«, erwiderte Parrish. »Die Kinder sind inzwischen alt genug, um auf eigenen Füßen zu stehen, aber bis vor Kurzem musste ich viel Geld überweisen, ja.«
Radick beugte sich vor. »Ist das Verhältnis zwischen Ihnen und Ihrer Frau noch immer von Bitterkeit und Feindseligkeit geprägt, Mr McKee?«
»Noch immer?«, fragte McKee. »Wir waren über fünfzehn Jahre verheiratet, und ich glaube, dass nur im ersten oder in den beiden ersten Jahren keine Bitterkeit und Feindseligkeit herrschten.«
»Aber Sie sind wegen der Kinder zusammengeblieben?«
»Ja. Wir haben nach außen hin eine tapfere Miene aufgesetzt und es so lange wie möglich miteinander
Weitere Kostenlose Bücher