Der Schrei der Engel: Thriller (German Edition)
lockeren Ton. Doch es kam völlig verquer heraus und klang bitter wie eine Anklage.
»Dad …«, stellte sie halb fragend fest.
»Allerdings«, entgegnete Parrish und hielt seine Tüten hoch – die eine gefüllt mit Essenskartons, die andere mit Flaschen. »Ich dachte, wir könnten zusammen zu Abend essen.«
»Ich bin zum Essen verabredet«, erwiderte sie, und es war offensichtlich, dass sie nicht die Wahrheit sagte. Es kam zu schnell heraus, zu eifrig. Ich-bin-zum-Essen-verabredet , fast wie ein einziges Wort.
»Dann esse eben ich ein bisschen, wir trinken ein Bier, und dann stopfen wir den Rest in den Kühlschrank, damit du und die Mädels etwas zum Frühstück habt.«
»Dad – ich bin nicht allein …«
»Das weiß ich. Himmel, es ist genug für alle da.«
»Die Mädchen sind nicht hier«, erklärte sie, und Parrish begann zu lächeln.
»Aha«, sagte er. »Ein junger Gentleman wirbt um meine Tochter …«
»Caitlin?«, ließ sich eine Stimme aus der Wohnung vernehmen, und Parrish merkte, dass seine Tochter zusammenzuckte.
»Was ist los?«, fragte die Stimme, und Parrish spürte, wie sich etwas Fremdes, Kaltes, Gefährliches in seine Gedanken schlich.
Er kannte die Stimme. Er wusste, zu wem sie gehörte.
»Radick?« Die Skepsis und der Unglaube in seiner Stimme waren nicht zu überhören. »Radick ist hier bei dir?«
Caitlin versuchte, die Tür so weit wie möglich zu schließen und blieb dabei zwischen Rahmen und Türkante stehen. »Dad«, beschwor sie ihn, »bitte, Dad. mach jetzt keine Szene. Es ist nichts, Dad, wirklich. Er hat mich vorgestern angerufen, weil ich mir Sorgen um dich gemacht habe …«
»Was soll das heißen, Sorgen um mich? Du sorgst dich um mich? Was, zum Teufel, hat das mit meinem Partner zu tun? Warum, zum Teufel, sollte mein Partner hier vorbeikommen, um sich mit dir über mich zu unterhalten?«
Parrish ließ die Tüte mit dem Essen zu Boden fallen. Es war eine harte Landung, doch die Kartons kippten nicht heraus.
Er trat einen Schritt vor und überraschte Caitlin, indem er gegen die Tür drückte, die so heftig gegen die Wand schlug, dass sie zurückprallte und wieder ins Schloss fiel.
Währenddessen eilte Parrish an ihr vorbei. Vergeblich packte sie seine Jacke, um ihn zurückzuhalten.
Jimmy Radick stand mitten im Zimmer.
»Was, zum Teu…«, begann Parrish, doch Radick hob die Hände und fiel ihm ins Wort.
»Lesen Sie hier nichts hinein, Frank«, sagte er in sachlichem Ton. Seine Erregung war offensichtlich, doch er mühte sich um einen Anschein von Gefasstheit.
Caitlin war Parrish gefolgt. »Dad«, sagte sie, »hör jetzt auf. Du hast keinen Grund, wütend auf ihn zu sein.«
Parrish ließ die Tüte mit den Flaschen fallen. Eine von ihnen zerbrach, und das Bier ergoss sich an der Kante des Teppichs entlang Richtung Sofa.
»Frank, ganz ehrlich, es reicht jetzt«, erklärte Radick. »Bevor Sie noch ein Wort sagen, hören Sie mir zu.«
Frank Parrish spürte in diesem Augenblick eine Menge Dinge gleichzeitig, und nichts davon stand im Einklang mit dem gesunden Menschenverstand. Er machte einen weiteren Schritt nach vorn und streckte die Hand aus, um das Revers von Radicks Jacke zu packen. Der aber trat zu Seite und versetzte Parrish einen Stoß. Parrish verlor die Balance und fiel in einen Sessel. Als er aufzustehen versuchte, stand Radick schon über ihm, schaute ihn herausfordernd an und erklärte resolut: »Frank. Sie hören mir jetzt zu. Schluss mit diesem Mist, verstanden?«
Parrish trat mit dem Fuß nach oben. Radick sah ihn kommen und wehrte ihn mit seinem Knie ab. Als der Schmerz einsetzte, trat er einen Schritt zurück, sodass Parrish wieder auf die Füße kam.
Jetzt ging Caitlin, wild um sich schlagend, auf ihren Vater los und traf ihn an den Schultern, am Hinterkopf, im Gesicht. In diesem Moment sah Parrish nur noch, dass seine Tochter und sein Partner sich gegen ihn verschworen, über ihn redeten, ihn schlechtmachten und sich über ihn amüsierten. Mit einem Mal sah er Clare in Caitlins Augen, und die Wut kochte in ihm hoch.
Er schlug sie. Nie zuvor in zwanzig Jahren hatte er seine Tochter geschlagen, doch jetzt war es passiert. Ein unbeabsichtigter und automatischer Hieb nach hinten, eigentlich nur ein Versuch, den Wirbelwind von Händen zu stoppen, die ihn attackierten. Doch genau in diesem Moment hielt sie die Arme gesenkt, und sein Unterarm traf seitlich ihr Gesicht. Sie kippte um wie ein Bowling-Pin.
Im Moment des Schocks, in den Sekunden, die er
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