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Der Schrei der Engel: Thriller (German Edition)

Der Schrei der Engel: Thriller (German Edition)

Titel: Der Schrei der Engel: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R.J. Ellory
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nicht voll ausformuliert. Die späteren Opfer waren erdrosselt worden. Vielleicht hatte der Täter das erste ja erschossen oder erstochen. Tatsächlich war es so, dass die dramatischeren Todesarten eine größere Chance für die Sicherung von Beweismitteln und damit für ein späteres Täterprofil boten. Eine einfache Strangulation sagte nur wenig mehr aus als das Bedürfnis, die Gesichter der Opfer beim Sterben zu sehen, aus nächster Nähe zu beobachten, wie das Lebenslicht in ihren Augen erlosch. Eine Schnur, ein Seil, ein Schal, alles, nur nicht die eigenen Hände. Vielleicht hatte beim ersten Opfer noch etwas anderes eine Rolle gespielt – etwas Besonderes, etwas Einzigartiges –, das ihnen etwas Greifbares gab, eine Chance, die Zahl ihrer Verdächtigen bei South Two zu reduzieren. Jeder unter eins dreiundsiebzig oder über eins achtundachtzig oder jeder mit blonden Haaren ist aus dem Spiel … etwas in der Art. Auf einen Schlag ist man so fünfzehn Prozent der Verdächtigen los. Dann sind es nur noch einundvierzig, um die man sich kümmern muss.
    Parrish lächelte in sich hinein – verzagt und sarkastisch. Er wusste, dass er sich etwas vormachte, wenn er sich einredete, dass die Aufklärung dieses Falls geradlinig, auf kürzestem Weg, verlaufen würde, obwohl in Wahrheit das Gegenteil zu erwarten war.
    Er warf einen Blick auf die Uhr. Es war zwanzig vor sechs.
    »Hauen Sie ab, Jimmy«, forderte er Radick auf. »Ich sehe nicht, was Sie jetzt noch tun könnten. Wir müssen auf die Verfügung warten, und dann besorgen wir uns die Telefondaten, aber das wird frühestens morgen geschehen, wahrscheinlich erst am Montag. Es sei denn, Haversaw macht ein bisschen Druck.«
    Radick stand auf und griff nach seiner Jacke. »Alles klar mit Ihnen, Frank?«, fragte er Parrish.
    »Besser denn je«, erwiderte der.
    »Gehen Sie nach Hause, oder essen Sie irgendwo noch etwas?«
    »Wahrscheinlich gehe ich nach Hause«, erwiderte Parrish. »Warum? Wollen Sie mich zu einem Date einladen?«
    Radick schüttelte den Kopf. »So nötig hab ich es auch nicht«, sagte er und wandte sich zur Tür.
    Parrish sah ihm lächelnd nach. Er wusste, was er tun würde. Er würde irgendwo in der Nähe von Caitlins Wohnung zwei Abendessen zum Mitnehmen besorgen und seine Tochter überraschen.
    38
    Parrish hoffte, dass die jungen Frauen, die mit Caitlin die Wohnung teilten, nicht zu Hause waren. Er musste mit ihr reden; er wollte, dass sie ein für alle Mal begriff, dass seine Einmischungen väterlicher, elterlicher Verantwortung entsprangen und dass sie – aus seiner Perspektive – unbedingt notwendig waren. Im Alter von zwanzig Jahren glaubte man nicht nur, alles zu wissen; man wusste , dass man alles wusste. Zugegebenermaßen hatte die Welt sich verändert – 2008 war nicht 1968 –, aber niemand konnte behaupten, sie hätte sich zum Besseren verändert. Das hatte sie wahrlich nicht. Natürlich hatte es den ganzen Wahnsinn auch vor zwanzig, dreißig, vierzig Jahren schon gegeben, aber dank des Fernsehens, und jetzt dank des Internets, wurde jeder viel schneller und viel intensiver mit diesem Wahnsinn konfrontiert. Und mit welchem Ergebnis? Die Leute waren auf Ideen gekommen. Davon war Parrish überzeugt. In seiner Zeit als junger Cop hatte es zehn Wege nach Rom gegeben. Heute gab es zehntausend.
    Er verließ die U-Bahn an der Carroll Street und ging einen halben Block zu Fuß zu einem Chinarestaurant, das er kannte. Es bestellte scharfes, knusprig gebratenes Rindfleisch, gebratenen Reis, Wan Tans und eine Menge anderes Zeug. Während die Speisen zubereitet wurden, ging er zu einem Spirituosenladen und kaufte ein Sixpack Corona.
    Kurz nach sieben Uhr klopfte er an Caitlins Wohnungstür und wartete geduldig.
    Als er ihre Stimme hörte, ihr Lachen, spürte er einen Anflug von Enttäuschung. Sie war nicht allein. Die jungen Frauen, mit denen sie zusammenwohnte, waren in Ordnung, aber heute Abend hätte er lieber auf sie verzichtet. Es würde sich unbehaglich anfühlen. Vielleicht sollte er einfach das Essen und das Bier abliefern und dann wieder gehen. So tun, als hätte er alles nur vorbeigebracht, damit sie sich einen schönen Abend mit ihren Freundinnen machen konnte. Ein Friedensangebot.
    Caitlin öffnete die Tür, und ihr Gesichtsausdruck wandelte sich so schnell von Verblüffung zu überspielter Besorgnis, dass Parrish spürte, dass etwas nicht stimmte.
    »Tolle Art, deinen alten Herrn zu begrüßen«, sagte er und bemühte sich um einen

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