Der Schrei der Engel: Thriller (German Edition)
Lester … irgendwas mit »L«. Louis. Ganz genau. Louis Bryan. Frank blätterte durch seine Rolodex-Kartei und fand die Nummer. Sie funktionierte, doch ging niemand an den Apparat.
Frank entschloss sich zu einem kleinen Hausbesuch und meldete sich beim Squad Sergeant ab.
»Kommen Sie voran mit Ihren Fällen?«, fragte Valderas.
»Bei dem U-Bahn-Typen denke ich, dass es Zufall war. Irgendein Crackhead hat ihn einfach wegen des Kicks gestoßen. Meiner Meinung nach war das Opfer zur falschen Zeit am falschen Ort.«
Valderas schüttelte den Kopf. »Die Transit Authority klebt an mir wie Herpes. Wissen Sie, wie viele Tote wir im letzten Quartal allein im Bereich Nevis, DeKalb, Hoyt und Lawrence Street hatten?«
»Beschissen viele«, erwiderte Parrish.
»Absolut.«
»Ich treffe mich mit jemandem wegen des Erschossenen in der Nebenstraße.«
»Könnte es Selbstmord gewesen sein?«
Parrish schüttelte den Kopf. »Der Rechtsmediziner sagt, er wäre nicht am Fundort gestorben. Und außerdem: Wer, zum Teufel, erschießt sich schon mitten auf der Straße?«
Er zog seine Waffe, drehte die untere Seite nach oben, packte sie am Griff und legte den Finger an den Abzug. Dann drückte er sich die Mündung an die Kehle und legte den Kopf in den Nacken. »Und dann in dieser Haltung? Der Winkel stimmt überhaupt nicht. Und wenn ich sie richtig herum halte, bekomme ich den Finger nicht an den Abzug.«
»Schon gut, fahren Sie. Rufen Sie an, und melden Sie sich bei der Zentrale ab, falls Sie heute nicht mehr reinkommen.«
Parrish trat noch einmal an seinen Schreibtisch und holte einen Zwanziger aus der Zigarrenkiste.
Es war kurz nach acht Uhr, als er Louis Bryan aufstöberte. Seine Haut war noch schlimmer, als er sie in Erinnerung hatte, und er wohnte noch immer bei seiner bettlägerigen Mutter, die in unregelmäßigen Abständen auf den Fußboden in der oberen Etage klopfte. Dann musste Louis zusehen, dass er ihre Wünsche schleunigst erfüllte.
»Ihr geht’s schlecht, Mann, wirklich schlecht. Ich glaub nicht, dass sie es noch lange macht.«
»Das tut mir leid, Louis.«
»Hey, Mann, so läuft’s eben, oder?«
»Du hast gehört, was mit Danny passiert ist.«
»Klar, hab ich das.«
»Allzu aufgewühlt wirkst du aber nicht.«
Louis lächelte. Seine Zähne, das heißt, die, die er noch besaß, leuchteten junkie-gelb. »Ich weiß nicht, was ich Ihnen sagen soll. Das liegt an der Gegend. Wenn ich alle zählen wollte, die auf der Strecke bleiben, hätte ich spätestens nach einem Monat den Überblick verloren.«
»Bei den Überdosen kapiere ich das«, erwiderte Parrish. »Aber Danny hat man in den Kopf geschossen.«
»Und? Glauben Sie etwa nicht, dass genügend Arschlöcher mit Waffen rumlaufen? Manche Idioten würden Sie für einen Zehner abknallen. Sie kennen das Spiel, Mann. Sie waren doch schon öfter hier in der Gegend.«
»Aber mit solchen Leuten hat Danny sich nicht eingelassen, Louis. Jedenfalls nicht zu der Zeit, als ich ihn zuletzt gesehen hab.«
»Und wann soll das gewesen sein?« Louis kratzte sich hartnäckig. Schon der Anblick gab Parrish das Gefühl, dass seine Haut nicht richtig passte.
»Ich weiß nicht. Vor einem Jahr, vielleicht vor achtzehn Monaten.«
»Na, nichts verändert sich schneller als die Umstände, Mann. In sechs Monaten schafft man es von schlimm zu schlimmer und noch schlimmer.«
»Was ist mit seinen Eltern?«
»Die sind tot. Schon ewig.«
»Was ist passiert?«
»Ein Autounfall. Beide gestorben.«
»Wie lange ist das her?«
Louis schüttelte den Kopf und zog die Mundwinkel herunter. »Ich weiß nicht. Vier, fünf Jahre vielleicht.«
»Und seine Schwester?«
»Was ist mir ihr?«
»Kennst du sie?«
»Ich kenn sie vom Hörensagen . Bin ihr auch ein paarmal begegnet. Sieht süß aus. Aber Stoff nimmt sie keinen. Das Härteste, was sie anpackt, ist Pepsi-Cola.«
»Jetzt nicht mehr.«
Louis wirkte besorgt. »Wurde sie etwa auch kaltgemacht?«
»Ja, das wurde sie.«
»Auf dieselbe Art wie Danny?«
»Nein. Sie wurde in Dannys Wohnung erdrosselt.«
»Scheiße?« Louis wirkte ehrlich überrascht. »Sie war ein süßes Mädchen, wirklich süß. Hübsch und alles. Wer, zum Teufel, will so jemanden umbringen? Hat man ihr was angetan? Sie vergewaltigt oder so?«
»Ich glaube nicht. Sie wurde einfach getötet.«
»Dann sind sie jetzt alle weg, stimmt’s? Die ganze Familie. Mum, Dad, Danny und die kleine Schwester. Scheiße, das muss schon wehtun, wenn die ganze Familie weg
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