Der Schrei der Engel: Thriller (German Edition)
ist.«
»Weißt du, wer sich um die Schwester gekümmert hat?«
»Irgendein Mädchen oben in Williamsburg, soweit ich mich erinnere. Keine Ahnung, wie sie heißt. Danny hat eigentlich nie richtig darüber gesprochen.«
»Hast du eine Ahnung, wo sie zur Schule ging?«
Louis schüttelte den Kopf.
»Kannst du dir vorstellen, dass Danny …«
Louis riss die Augen auf. »Danny? Auf keinen Fall, Mann. Er liebte das Mädchen. In seinen Augen konnte sie übers Wasser laufen. Er sagte, sie würde bestimmt mal Model, verstehen Sie? Ich persönlich glaube ja, dass man eins zweiundsiebzig oder eins fünfundsiebzig groß sein muss für diesen Laufsteg-Kram, aber Danny ließ das nicht gelten. Sie wird mal Catwalk-Model und von Calvin Klein entdeckt und verdient damit richtig Kohle. Er sieht sich schon auf großem Fuß leben, mit Penthouse-Suite, verstehen Sie? Er ist ein verdammter Träumer, Mann, aber ich sag lieber nichts. Wenn man jemandem den Traum wegnimmt, und wenn er noch so verrückt ist, dann nimmt man ihm die Hoffnung.«
»Wann hast du ihn zuletzt gesehen?«
Louis dachte einen Moment nach. »Was für ein Tag ist heute? Dienstag …? Ich hab ihn am Sonntagnachmittag gesehen, so um vier oder fünf.«
»Wo?«
»Bei ihm zu Hause. Wir haben ein bisschen was zusammen geraucht. Ich bin nicht lange geblieben, weil ich mich noch um was Geschäftliches kümmern musste.«
»Und seine Schwester?«
»Die war nicht da, Mann. Hab sie nicht gesehen.«
»Hat er gesagt, wo sie war?«
»Nee. Er hat nichts gesagt, und ich hab auch nicht gefragt.«
»Und dir ist nichts darüber zu Ohren gekommen, was passiert ist? Irgendwas? Jemand, der die Klappe aufgerissen hat? Oder jemand, der nebenbei etwas erwähnt hat?«
Louis schüttelte den Kopf. »Ich kümmere mich nicht um solche Sachen, Mann. Wenn du nicht danach suchst, findet es dich auch nicht, falls Sie verstehen, was ich meine.«
»Schon gut, Louis, schon gut. Halte Augen und Ohren für mich offen, okay? Wenn du irgendwas hörst, ruf mich an.« Parrish zog den Zwanziger aus der Tasche und streckte ihn Louis entgegen.
Louis nahm das Geld. »Augen und Ohren ist schon in Ordnung.«
Als er Parrish zur Tür brachte, hämmerte Momma auf den Boden im oberen Stockwerk.
9
Mittwoch, 3. September 2008
»Frank, Sie müssen hier pünktlich erscheinen. In zwanzig Minuten habe ich den nächsten Termin.«
»Das passt schon. Ich bin in einer Viertelstunde verabredet.«
»Ernsthaft, Sie müssen pünktlich erscheinen. In fünfzehn Minuten können wir nichts erreichen.«
»Was ist Ihnen lieber? Soll ich bleiben oder wieder gehen?«
»Bleiben Sie. Setzen Sie sich. Wir können wenigstens anfangen. Sie wollten darüber nachdenken, ob Sie über Ihren Vater sprechen möchten.«
»Ich habe nicht darüber nachgedacht.«
»Können wir also über ihn sprechen?«
»Woher stammen Sie, Doktor Marie?«
»Ich wüsste nicht, was das mit unserer Arbeit zu tun hat.«
»Tun Sie mir den Gefallen.«
»Ursprünglich komme ich aus Chicago.«
»Auch eine richtige Gangster-Stadt, hm? Und wie lange wohnen Sie schon in New York?«
»An Weihnachten werden es drei Jahre.«
»Wissen Sie viel über die Stadt?«
»Warum?«
»Nun, New York ist eine Gewerkschafterstadt. So war es immer, und daran wird sich auch nichts ändern. Überwiegend demokratisch eingestellt. Die einzige Ausnahme war Giuliani, der sich in den Achtzigern den Republikanern zugewandt hat. Er arbeitete eine Zeit lang im US Attorney’s Office, wurde selbst US Attorney – der Chef vom Ganzen – und war später Bürgermeister, zwischen Januar 1994 und Dezember 2001.«
»Ich habe ihn wegen der Anschläge vom elften September in Erinnerung.«
»Genau. Und erinnern Sie sich auch, dass er für den Senat kandidierte und dann ins Weiße Haus wollte? Er war ein zäher Hund mit einem großen Herzen, bekam intern aber mehr Gegenwind, als er auf der Rechnung hatte.«
»In welcher Hinsicht?«
»Verdammt, Marie, Sie müssen das Wesen der Stadt kennen, ein bisschen was von ihrer Geschichte wissen, um wirklich verstehen zu können, was passiert ist. Was immer noch passiert.«
»Ich habe Zeit.«
»Und Sie wollen diesen Mist wirklich hören?«
»Ich will etwas über Ihren Vater hören. Das ist es, was ich wirklich hören will, Frank.«
»Gut, wenn Sie etwas über John Parrish wissen wollen, dann müssen Sie auch alles über die Saints of New York wissen.«
»Die was?«
»Die Heiligen New Yorks. So haben Sie sich selbst genannt, dieser Haufen
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