Der Schrei der Engel: Thriller (German Edition)
Paar von Sarahs Schuhen. Alles planlos über den Boden verteilt, als sollte es in den Abfall geworfen werden.
Carole runzelte die Stirn. Einen nach dem anderen hob sie die Gegenstände auf und legte sie auf den Teppich des Hausflurs hinter ihr. Zuletzt holte sie den Teppich heraus der offensichtlich genau auf die Maße der Kammer zurechtgeschnitten war und farblich perfekt mit dem Teppich hier draußen harmonierte. Sie spürte den Drang, ihn wieder an seinen Platz zurückzulegen – warum, hätte sie nicht sagen können, sie tat es einfach. Als sie ihn dabei auf den Boden drückte, spürte sie, dass sich die Dielen unter dem Linoleum bewegten. Sie hielt inne. Sie warf einen Blick nach rechts, wo der Schraubenzieher lag, benutzte dessen Spitze, um die Kante des Linoleums anzuheben, und begann daran zu ziehen. Sie schob den Schraubenzieher in ihre hintere Hosentasche, zog vorsichtig das komplette Linoleum heraus und legte es hinter sich auf den Boden. Einen Moment hielt sie inne, ehe sie eines der Dielenbretter anhob.
Frank Parrish stand geräuschlos am oberen Ende der Treppe. Jemand war dort unten, und von seiner Position aus konnte er nicht erkennen, wer es war. Es hatte geklungen, als hätte jemand das Haus durchsucht, genau wie er zuvor. Doch das ergab keinen Sinn. Wer sollte gekommen sein, um im Haus nach etwas zu suchen? Jemand mit einem Schlüssel, so viel war klar. Doch wer besaß einen solchen Schlüssel? Abgesehen von Carole Paretski, kam ihm niemand in den Sinn. Oder vielleicht eine Freundin, die McKee ihnen verschwiegen hatte? In diesem Moment begriff er: der Komplize. Die ganze Zeit über hatte sich der Gedanke in seinem Hinterkopf gehalten, dass McKee nicht allein gearbeitet hatte. War der Komplize hier eingedrungen, um Beweismaterial zu entfernen, um etwas mitgehen zu lassen oder etwas zu holen, das McKee ihm versprochen hatte? War ihre Beziehung so eng, dass sie sich gegenseitig ihre Hausschlüssel anvertrauten? Natürlich. Verdammt, immerhin entführten, betäubten, vergewaltigten und ermordeten sie gemeinsam Teenager.
Parrish zog vorsichtig seine .32er und atmete tief durch. Er musste vielleicht sechs Stufen nach unten gehen, um erkennen zu können, wer sich dort im Flur aufhielt. Er hob einen Fuß an und setzte ihn ganz langsam an der rechten Seite der ersten Stufe auf. Er verlagerte sein Gewicht so vorsichtig wie möglich und betete, dass die Stufen nicht knarrten, sondern massiv, sicher und geräuschlos waren. Als sein ganzes Gewicht auf dem rechten Fuß ruhte, packte er das Geländer und begann, den linken Fuß zu bewegen. Er spürte das Herz in seiner Brust hämmern. Was sollte er tun? Den Kerl verhaften? Eine andere Möglichkeit gab es nicht, und doch wäre diese Verhaftung wertlos. Allzu bald würde man ihn verhaften. Illegale Durchsuchung, Einbruch, das ganze Programm. Doch er scherte sich nicht um die Konsequenzen. Dort unten war McKees Komplize dabei, sämtliche Beweisstücke zu entfernen, und Parrish hatte keine andere Wahl, als ihn aufzuhalten.
Leise setzte er den linken Fuß auf, atmete aus, atmete wieder ein und zog den rechten Fuß nach.
Der Schrecken und die Bestürzung, von denen Carole Paretski ergriffen wurde, als sie ein Foto nach dem anderen aus der Kiste neben den Bodendielen nahm, waren unermesslich. Teenager – älter konnten sie nicht sein. Und sie starben. Carole hatte nicht den geringsten Zweifel, dass diese Mädchen gequält und ermordet wurden. Ihre Augen starrten in die Kamera – weit offen und verängstigt und blutunterlaufen. Ihre Gesichter waren gerötet, in manchen Fällen blau, und um ihre Hälse war etwas gewickelt, womit sie zu Tode gewürgt wurden. Nackte, kniende, in sich zusammengesunkene Mädchen, gefesselt, in Handschellen, manche mit blauen Flecken und blutend, manche schon bewusstlos, während ihr Exmann sie fickte.
Sie hatte nicht den geringsten Zweifel daran, dass es sich um Richard handelte. Keines der Fotos zeigte sein Gesicht, aber sie hatte genügend Jahre mit ihm verbracht, mit ihm geschlafen, zwei seiner Kinder in sich getragen und zur Welt gebracht …
Ihr war völlig klar, was sie da vor sich hatte, und jede einzelne Befürchtung, die sie je gehegt hatte, bestätigte sich in diesem Moment.
Unter den Fotos lagen DVDs, Dutzende. Während sie eine nach der anderen betrachtete – mit ihren handgeschriebenen Titeln, die oftmals nur aus einem einzelnen Mädchennamen bestanden –, begann sie das ganze Ausmaß dessen zu begreifen, was ihr Mann
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