Der Schrei der Engel: Thriller (German Edition)
schmerzten sie höllisch.
Vorsichtig kam er auf die Beine, wobei er sich zur besseren Balance gegen die Wand lehnte. Dann ging er mehrmals den Flur auf und ab, bis er das Gefühl hatte, dass die Beine wieder seinem Befehl gehorchten. Auch seine Eingeweide schmerzten, ein wenig stärker noch als beim letzten Mal.
Genau in dem Augenblick, als er die Tür des Stauraums wieder schließen wollte, hielt er inne. Er streckte den Arm aus und tastete den Boden ab. Kaum merklich, aber doch ganz eindeutig spürbar, gab er nach. Von einem Gefühl plötzlicher Erregung und Unruhe gepackt, zerrte er hastig noch einmal sämtliche Gegenstände nach draußen. Einen Werkzeugkasten, einen Staubsauger, ein Paar Kinderschuhe, einen Eimer voller Pinsel samt drei Farbdosen, Decken, einen Schuhkarton. Unter diesen Gegenständen, direkt auf dem Boden, befand sich ein kleines Stück Teppich, sorgfältig zurechtgeschnitten, sodass es die Grundfläche exakt abdeckte. Parrish griff nach dem Schraubenzieher, hob damit eine Ecke des Teppichs an und entdeckte darunter eine Linoleumschicht. Er zerrte so lange an dem Teppich, bis er das komplette Stück in den Händen hielt. Dann machte er sich daran, mit dem Schraubenzieher auch das Linoleum zu lösen. Es gab den Blick auf die Kante einer Bodendiele frei. Als er das Linoleum noch weiter entfernte, entdeckte er einen quer verlaufenden Schnitt in dem Dielenbrett. Und in dem daneben, und in dem nächsten.
Sein Herz raste. Parrish zerrte an dem Linoleum. Es war am hinteren Ende festgetackert und riss teilweise ab. Er fluchte und griff abermals nach dem Schraubenzieher, um die Klammern zu lösen. Als er es geschafft hatte, konnte er das komplette Linoleumstück herausziehen und neben sich auf den Fußboden legen. Die durchgesägten Bretter – drei, direkt nebeneinander – erweckten jetzt den Anschein einer Luke von rund einem halben Meter Breite. Parrish benutzte den Schraubenzieher als Hebel, um das erste Brett anzuheben.
Er entdeckte sie sofort, und er zweifelte keine Sekunde daran, was er vor sich hatte …
Gerade als er nach dem zweiten Brett greifen wollte, hörte er vor dem Haus ein Auto, das abbremste und schließlich hielt. Sein Herzschlag setzte aus. Er hörte, wie eine Autotür geöffnet wurde. In aller Eile, verzweifelt und panisch, legte er das Brett und das Linoleum zurück an seinen Platz, stopfte den Teppich wieder in den Stauraum, dann die Schuhe, die Farbdosen, den Eimer mit den Pinseln und alles, was er sonst noch herausgeholt hatte. Mit der Schulter drückte er die Tür zu, packte seine Tasche und die Lampe und machte kehrt, um die Treppe ins Obergeschoss hinaufzulaufen.
Frank Parrish erreichte die oberste Stufe in dem Augenblick, als jemand einen Schlüssel ins Schloss steckte und ihn umdrehte. Im gleichen Moment wurde ihm klar, dass er seinen Schraubenzieher hatte liegen lassen.
83
Carole Paretski blieb im Hausflur ihres Exmannes stehen und verharrte dort gute drei oder vier Minuten. Das Haus lag in völliger Stille. Sie ging weiter zur Küche, am Abstellraum vorbei und zur Tür, die zum Garten führte. Dann kehrte sie zur vorderen Seite des Hauses zurück und hielt Ausschau nach allem, was irgendwie ungewöhnlich wirkte. Sie schaute in jede einzelne DVD-Hülle und ging die Stapel mit Zeitschriften ebenso durch wie die Papiere, die anscheinend mit der Arbeit zu tun hatten. In Richards Arbeitszimmer setzte sie ihre Suche fort – sie öffnete Schubladen, durchsuchte sie und achtete darauf, alles wieder an seinen ursprünglichen Platz zurückzulegen. Sie stellte sich in die Zimmerecken, hob den Teppich an und hielt nach Anzeichen Ausschau, dass irgendwelche Bodendielen gelockert worden waren. Sie versuchte, sich auszumalen, wie sie selbst vorgehen würde, falls sie etwas Wichtiges verstecken müsste. Wo würde sie es deponieren? An welchen Stellen wäre es sicher und neugierigen Blicken entzogen?
Als Nächstes nahm sie sich den Hausflur vor. Sie klopfte sogar die unteren Stufen der Treppe ab, um festzustellen, ob eine von ihnen weniger massiv klang als die anderen. Sie fand nichts.
Zuletzt überprüfte sie den Stauraum unter der Treppe, und hier kam ihr etwas äußerst merkwürdig vor. Richard war, solange sie ihn kannte, immer ungewöhnlich ordentlich gewesen. Verglichen mit dem, was sie erwartet hatte, wirkte es hier ziemlich unaufgeräumt. Ein Schraubenzieher auf dem Boden, der Teppich planlos hineingestopft. Dazu Farbdosen, ein umgefallener Eimer mit Pinseln sowie ein
Weitere Kostenlose Bücher