Der Schrei der Engel: Thriller (German Edition)
vor. Wir kommen raus.«
Dann musterte er Karl. »Ich brauche die Pistole«, erklärte er.
»Fick dich, die Pistole behalte ich.«
»Sie können da draußen nicht mit einer Pistole aufkreuzen, Karl. Sobald man eine Waffe bei Ihnen sieht, wird geschossen.«
»Sie bekommen die Pistole, ich behalte die Handgranate. Mein letztes Wort.«
Vale zögerte einen Moment. Er fühlte sich überrumpelt und hatte nicht die leiseste Ahnung, wie er reagieren sollte.
»Okay«, sagte er schließlich, »aber sobald wir draußen sind, geben Sie mir das Ding, bevor irgendjemand es sieht.«
Jetzt zögerte Karl, doch schließlich willigte er nickend ein.
»Okay«, sagte er. »Abgemacht.«
Karl reichte Vale die Pistole, und Vale legte sie auf den Betonboden. Mit dem Fuß stieß er sie zu den anderen Waffen. Dann drehte er sich zur Treppe um.
»Hey, Mann«, sagte Karl.
Vale wandte sich noch einmal um.
»Hast du Kinder?«
Vale nickte.
»Drei«, sagte er, »aber älter als Ihre. Alles Teenager.«
Karl nickte, sagte aber nichts.
Michael Vale ging als Erster. Er stieg die Stufen langsam hoch und achtete darauf, mit seinem Körper einen möglichen Fluchtweg für Karl zu verstellen. Er wollte den jungen Mann ans Tageslicht bringen, wo jeder ihn sehen konnte, ihm dann die Handgranate abnehmen, ihn auf den Boden legen und ihm Handschellen anlegen.
Die Tür oben stand offen, und Vale entdeckte Frank Parrish in der Nähe ihres Wagens. Als er die Tür erreichte, bemerkte er, wie viele Streifenwagen und Zivilfahrzeuge inzwischen eingetroffen waren. Die Geiseln waren nirgends zu sehen, stattdessen eine kleine Armee von Polizeibeamten, die alle mit gezogenen Pistolen oder Gewehren hinter offenen Autotüren kauerten. Auch ein Team zur Bombenentschärfung war angefordert worden, dessen übergroßer weiß-blauer Laster auf der anderen Straßenseite parkte.
In diesem Augenblick entdeckte Vale das Mädchen. Sie stand weit hinten neben einem Auto und hielt einen kleinen Jungen in ihren Armen. Vale spürte einen Anflug von Zufriedenheit und klarsichtiger Entschlossenheit. Sein Herz – das ihm die ganze Zeit über bis zum Hals geschlagen hatte – begann sich zu beruhigen. Er wusste, dass er die Nachwirkungen dieses Vorfalls erst nach einer Weile spüren würde. Er dachte an das Wochenende auf dem Land. Dachte an seine Frau, seine Kinder. Er malte sich all das aus, was unten in dem Keller hätte passieren können, aber nicht passiert war.
Dann begann sie zu schreien. Laney.
»Arschloch! Du verdammtes Arschloch, Karl! Du bist ein beschissenes, nutzloses Arschloch, Karl, und ich wollte dir trotzdem noch eine Chance geben. Aber du bist so ein beschissenes Arschloch, dass du keine Chance mehr verdienst.«
Vales Herz setzte für einen Moment aus. Er spürte Karls unmittelbare Nähe.
Vale hob eine Hand. Warum, wusste er nicht. Vielleicht konnte sie ihn noch nicht einmal sehen. Trotzdem hob er die Hand.
Halt den verdammten Mund!, dachte er. Um Gottes willen, halt einfach den Mund!
»Schlampe«, hörte er Karl hinter sich sagen, und wie er es sagte, war es weniger ein Wort als ein Geräusch, ein Ausdruck von Erregung und Hass und Eifersucht und Verbitterung.
»Verdammtes Arschloch!«, schrie sie, obwohl Frank Parrish zu ihr lief und versuchte, sie festzuhalten, zu beruhigen, sie zum Schweigen zu bringen.
»Wenn du glaubst, dass du Karl junior noch jemals siehst, dann hast du dich geschnitten, mein Freund! Aber so was von geschnitten!«
Und Karl sagte noch einmal Schlampe , und Vale drehte sich um. Er öffnete den Mund, um etwas zu sagen, den Mann zu besänftigen, ihm zu erklären, dass sie bloß aufgebracht war, dass sie sich beruhigen würde, dass alles gut werden würde …
Und Karl streckte die Hände aus, und in einer Hand hielt er die Granate, und um seinen Hals baumelte eine Schnur, und am Ende dieser Schnur hing der Stift, und Michael Vale wusste, dass alles vorbei war.
Er trat einen Schritt vor und schlang die Arme um Karl Emerson und drückte sich an ihn, so fest er konnte, um die Wucht der Explosion abzudämpfen.
Noch nach zwei, drei Tagen wurden in einem Umkreis von dreißig Metern Stücke von Michael Vale entdeckt.
87
Die erste Person, mit der Frank Parrish sprach, nachdem er zurück war aus dem OP, war sein Sohn. »Lass mich ein paar Stunden ausruhen, dann werfen wir ein paar Körbe«, sagte er. Robert erwiderte, er würde Scheiße labern.
»Ich hab Eve kennengelernt«, sagte er.
»Süß, hm?«
»Und wie. Monstermäßig
Weitere Kostenlose Bücher