Der Schrei der Engel: Thriller (German Edition)
Abdruck, als wäre ihr Kopf gegen eine Wand gehämmert worden. Wie auch immer, die zum Tode führenden Verletzungen hatten bei beiden Mädchen – bei allen vier Mädchen – im Halsbereich gelegen.
In den Akten fanden sich keine Notizen über die Kleidung, über Veränderungen in der äußeren Erscheinung oder sonstige Hinweise, die Parrish als Ähnlichkeiten mit den anderen Fällen hätte deuten können. Natürlich war es möglich, dass solche Hinweise einfach unbemerkt geblieben waren. Allerdings waren es nicht diese äußeren Zeichen, die seine Aufmerksamkeit fesselten, sondern verschiedene andere Ähnlichkeiten zwischen allen vier Fällen. Zunächst einmal Größe, Gewicht, Hautfarbe und Alter. Dann der Umstand, dass alle vor ihrem Tod Geschlechtsverkehr gehabt hatten, ohne dass auch nur in einem Fall Anzeichen von Gewaltanwendung gefunden worden waren. Die Tatsache, dass die Mädchen alle aus einem wenige Kilometer umfassenden Umkreis stammten, war möglicherweise bedeutsam. Und schließlich der Umstand, dass jede Leiche so abgelegt worden war, dass jemand sie finden musste. Dass keinerlei Versuch unternommen worden war, die Opfer vor den Blicken der Welt zu verbergen, war ein Aspekt, der Parrishs Neugier besonders weckte. Kriminalpsychologie war ein ganz eigenes Feld, mit dem man bei Mordermittlungen gelegentlich zu tun bekam. Parrish war kein Profiler, doch er hatte genug gelesen, um über die vier Typen von Mördern Bescheid zu wissen, die in den Standardabhandlungen unterschieden wurden. Ein Mann oder vier verschiedene Männer, das war egal. Vier tote Mädchen. Vier offene Fälle, drei davon aus seinem eigenen Revier und einer, der Richard Franco vom 91sten in Williamsburg zugeteilt worden war.
Bestand auch nur die geringste Möglichkeit eines Zusammenhangs?
Parrishs Gedanken wurden vom Klingeln des Telefons unterbrochen.
»Ich habe den toxikologischen Befund des Lange-Mädchens für Sie«, sagte eine Stimme. »Sind Sie bereit?«
Parrish griff nach einem Bleistift und einem Blatt Papier. »Was haben Sie?«
»Sie wurde mit Benzodiazepin betäubt. Mit einer erheblichen Dosis.«
Parrish spürte das Zerren in seinen Eingeweiden – das Gefühl, dass etwas zu etwas anderem wurde. Woher hatte er wissen können, dass genau das passieren würde?
»Können Sie es genauer sagen?«
»Flunitrapezam. Rohypnol, verstehen Sie? Ich glaube, heutzutage nennt man es Roofies.«
»Wie viel?«, fragte er.
»Nun, im Verhältnis zur Dosis von 1,8 bis 2,7, in der es als Partydroge verwendet wird, ist ihr ungefähr das Fünf- oder Sechsfache verabreicht worden. Es wird durch den Stoffwechsel ziemlich schnell abgebaut. Deshalb war es auch weder im Urin noch im Blut zu finden.«
»Aber in den Haaren schon?«
»In den Haaren kann man es bis zu einem Monat lang nachweisen. Es hängt davon ab, wie viel in den Körper gelangt ist, aber nach einem Monat findet man auf jeden Fall noch Spuren.«
»Sonst noch etwas?«
»Nein, bloß Roofies. Soll ich den Bericht in Ihr Büro schicken?«
»Ja, bitte. Sobald wie möglich.«
»Kein Problem.«
Parrish legte auf. Karen, Jennifer und Nicole waren aus dem Rennen, was zusätzliche toxikologische Untersuchungen betraf. Blut und Urin waren standardmäßig überprüft worden, aber Haaruntersuchungen wurden nur auf besonderen Wunsch durchgeführt. Hätte er in Rebeccas Fall nicht extra darum gebeten, hätten sie von ihrer Betäubung nie erfahren. Dies eröffnete einen neuen Blickwinkel auf die Sache. Sie war unter Drogen gesetzt worden, und zwar mit einer beachtlichen Dosis. Wahrscheinlich war sie gefickt worden, während sie ohnmächtig war. Sie wäre zu keinem Widerstand in der Lage gewesen. Deshalb fehlten auch jegliche Kampfspuren. Tatsächlich dürfte sie nicht einmal mitbekommen haben, was passierte, und falls sie überlebt hätte, dann ohne die geringste Erinnerung. Steckte ihr Bruder dahinter? Jemand, an den ihr Bruder sie verkauft hatte? Und war dieser Porno in Wirklichkeit noch etwas ganz anderes? Ein Snuff-Movie? Ein junges Mädchen zu ficken, während es an einer Überdosis Benzodiazepin starb – oder sie vielleicht nach ihrem Tod zu ficken? Um es auf DVD zu brennen und genügend Exemplare zu verkaufen, um eine Sucht bis ans Ende des Lebens zu finanzieren? War es das , was Danny Lange geplant hatte?
Parrish schaltete seinen Computer ein und suchte die Nummer vom 91sten Revier heraus.
Er stellte sich seinem Kollegen Richard Franco vor, gab ihm einen kurzen Überblick über
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