Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Schrei des Eisvogels

Der Schrei des Eisvogels

Titel: Der Schrei des Eisvogels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
Vom Netzwerk:
es schon zu spät. Und dann kam mir der Gedanke, wie wär’s eigentlich mit der Polizei? Ich dachte, da bekäme man von Anfang an was Wichtiges zu tun, und man hätte echte Chancen, ziemlich schnell was daran zu verändern, wie der Laden läuft. Komischerweise hat die lausige Presse, die die Polizei in der letzten Zeit bekam, den Ausschlag für meinen Entschluss gegeben. Ich dachte, solange sie damit beschäftigt sind, ihre schmutzige Wäsche zu waschen, und bevor es wieder ruhig genug geworden sie ist, um die nächste Fuhre einzusauen, hat jemand wie ich eine Chance, einzuspringen und als das akzeptable Gesicht bei der Polizei Karriere zu machen.
    Tja, hat nicht ganz hingehauen. Ich habe oben in Newcastle versucht, das akzeptable Gesicht zu zeigen, und hab zum Dank für meine Mühe eins auf die Rübe gekriegt, und im Präsidium haben sie mich nur runtergemacht und rumgeschubst und mir gesagt, ich soll mich gefälligst zusammenreißen. Schon damals war ich nahe dran, alles zu schmeißen, aber statt dessen hab ich mich hierher versetzen lassen, obwohl ich beim ersten Anblick von Enscombe dachte, Junge, das hier ist der größte Fehler deines Lebens! Ich meine, was hat so ein winziger, abgelegener Fleck in der Landschaft mit all den Dingen in der realen Welt zu tun, derentwegen ich überhaupt zur Polizei gegangen bin?
    Sie waren es, der mich dazu brachte, es auf einen Versuch ankommen zu lassen, Sarge, obwohl ich nicht glaube, dass Sie wussten, wie nah ich dran war, einen Abgang zu machen. Sie haben gesagt, ich sollte ja nicht denken, ich könnte in Enscombe eine ruhige Kugel schieben, nur weil es so friedlich wirkte. Die Leute hier würden mich taxieren und mich mit dem alten Chaz Barnwell vergleichen, der eine halbe Ewigkeit hier gewesen war. Sie haben mir gesagt, ich sollte nicht versuchen, zu schnell zu gut Freund zu werden. Wenn ich mich dagegen an die Vorschriften halten würde und den Leuten zeigte, dass ich da bin, um für Recht und Ordnung zu sorgen, dann würde ich schon auf die Füße fallen. Am Ende haben Sie gesagt, ein junger Bobby wie ich könnte sich keine bessere Gelegenheit wünschen zu zeigen, was in ihm steckt, als für so eine dörfliche Gegend zuständig zu sein. Und dann, als Sie das erste Mal wegwollten, hatten Sie Bedenken und haben gesagt: »Enscombe ist anders als andere Dörfer, mein Sohn. Sogar anders als andere Dörfer in Yorkshire. Seien Sie immer hübsch wachsam, sonst werden Sie vielleicht reingelegt!«
    Das hatte gesessen. Also habe ich’s auf einen Versuch ankommen lassen, und ich habe gedacht, also schön, wenn ich genau nach Vorschrift handle und dadurch auf einen Posten befördert werde, mit dem ich was richtig Gutes anfangen kann, dann soll’s mir recht sein, und ich habe losgelegt. Und die ganze Zeit ging es unverändert weiter, in der Presse, im Fernsehen, die ganze Kacke, die ganze Kriminalität, und was tu ich? Sorge dafür, dass der Morris pünktlich schließt und dass ein Traktor nicht zuviel Dreck auf der Straße hinterlässt. Außerdem habe ich mich, wie ich zugeben muss, ganz schön einsam gefühlt. Ich saß in der Corpse Cottage, starrte die Wände an und hab mir beinah gewünscht, dass die alte Susannah Hogbin in ihrem Sarg durch die Wand kommt, nur damit ich jemanden zum Reden habe. Ich habe mich sogar immer drauf gefreut, wenn Sie vorbeikamen, um mich zu überprüfen. Manchmal haben Sie gesagt, ich machte alles o.k., und ich hätte Sie gerne gefragt, meinetwegen, aber was mache ich o.k.? Und manchmal haben Sie mich zur Schnecke gemacht, weil ich einen Bericht nicht richtig ausgefüllt oder mich zu spät zum Dienst gemeldet hatte. Und manchmal haben Sie von den alten Zeiten geredet, und wie alles noch ganz anders war als heute, und wie es Sie längst nicht mehr reizen könnte, in einer großen Stadt zu arbeiten, und wie alles mal entschieden besser war, weil man noch vertrauensvoll miteinander umging. Und dann habe ich versucht, Ihnen zu erzählen, wie ich mir die Zukunft vorstellte, und Sie haben dann so geguckt, als würden Sie mir zuhören, aber wahrscheinlich war es nicht anders als bei mir, wenn ich Sie so ansah, als würde ich Ihnen zuhören, wo in Wirklichkeit keiner von uns so richtig mitbekam, wovon der andere redete.
    Und dann, eines Tages … na ja, ich will Ihnen die Einzelheiten ersparen, aber eines Tages habe ich erkannt, dass das in Wahrheit alles überhaupt nichts brachte, weder Ihre Nostalgie noch meine Zukunftsträume. Sie hatten eines gemeinsam,

Weitere Kostenlose Bücher