Der Schrei des Eisvogels
seit den Impressionisten ein Kinderspiel, aber du hast gelernt, das Dunkel zu meistern. Der Kopf allerdings ist lediglich amüsant. Schlimmer noch, er wirkt etwas bekenntnishaft.«
»Ich weiß, dass du recht hast«, sagte sie ziemlich traurig. »Ich musste es nur von dir hören. Es ist vorbei. Ich hatte auf ein Meisterwerk gehofft, aber du hast von Anfang an gewusst, dass es nur ’ne Kritzelei ist. Mist.«
»Sei nicht gar zu scharf auf Vollkommenheit, Caddy«, sagte Halavant. »Menschlich betrachtet, ist es eine Form der Stagnation, der erste Schritt zum Verfall. Daher widerstehe ihr, misstraue ihr, wenn nötig, zerstöre sie. Mein Gott, wie kann ich es wagen, dir eine Predigt zu halten! Ich kehr dir nur einen Moment den Rücken zu, und du machst einen solchen Entwicklungssprung!«
Er betrachtete Wields Porträt.
»Das ist o.k., meinst du?«
»Es ist großartig«, sagte Halavant schlicht. »Sie werden den Beginn deiner ersten wirklich reifen Periode von hier an rechnen.«
»Ich weiß nicht, ob mir der Gedanke, richtig reif zu sein, gefällt«, sagte Caddy und sah ihn zum ersten Mal direkt an. »Wie geht’s übrigens deinen Eiern?«
»Kein bleibender Schaden«, sagte er. »Aber sie sind nicht der Grund für meinen Besuch. Das hier schon.«
Er wickelte ein ovales Päckchen auf, das er neben die Tür gelegt hatte, als er hereingekommen war, und enthüllte das gefälschte Porträt der ersten Frances Guillemard.
»Ach du je, ich fürchte, ich kann es dir nicht gegen das echte eintauschen, ich hab’s nicht.«
»Sei nicht albern. Ich will es nicht eintauschen, ich will es signiert haben. Aus dem Gedächtnis nach, sagen wir – einem halben Dutzend Besichtigungen – gemalt? Es ist eine wunderschöne Arbeit.«
»Aber nicht gut genug, um dich hinters Licht zu führen?«
»Und ob. Zumindest eine Zeitlang, wenn nicht dieser nette Polizist, der beinah normale von den dreien, mich drauf aufmerksam gemacht hätte. Als ich genauer hinsah und dieses angedeutete spöttische Augenzwinkern entdeckte, wusste ich Bescheid!«
»Warst sicher stocksauer, oder?«, sagte sie grinsend.
»Ein bisschen«, räumte er ein. »Ich hab zwei und zwei zusammengezählt und bin zur Corpse Cottage, um, wenn möglich, das Original zurückzubekommen. Wie so vieles, was ich in der letzten Zeit unternommen habe, ist es rasch zur Farce verkommen.«
»Wieso hast du es nicht einfach der Polizei gemeldet?«
»Weil mir völlig klar war, wer das hier gemalt hatte, und ich nicht die beste junge Künstlerin des Landes am Anfang ihrer Laufbahn in einen Fälschungsskandal verwickeln wollte.«
Sie betrachtete ihn skeptisch.
»Aber jetzt wissen sie es.«
»Sie haben es selber rausgefunden. Man sollte einfache Gemüter nie unterschätzen. Wer langsam schlendert, sieht am meisten von der Landschaft. Sei’s drum, du brauchst nur hier zu signieren, und (a) es ist nicht länger eine Fälschung und (b) es steigt in seinem Wert für mich.«
»Aber was ist mit dem Original? Willst du das nicht zurückhaben?«
»Nein. Es steht rechtmäßig Fran zu. Sie hätte es schon letztes Jahr bekommen sollen, als Daddy starb. War da jemand unten?«
Caddy ging zur Tür und rief: »Hallo?«
Es kam keine Antwort, und sie sagte, »Nein, nur die Dielen, die sich von der Sonne erwärmen.«
»Ja, da kann schon mal was aus den Fugen geraten. Wo ist Kee eigentlich? Sie war nicht unten, deshalb bin ich direkt heraufgekommen.«
»Sie ist zum Pfarrhaus hoch.«
»Tatsächlich? Interessant, aber auch beunruhigend. Wer sich an die Religion klammert, sieht sich irgendwann als alte Jungfer wieder.«
»Ich glaube nicht, dass es die Religion ist, an die sie sich klammern will«, sagte Caddy mit ihrem süffisanten Grinsen.
»Was? Du meinst Hochwürden? Mrs. Bayle, die Hekate von Enscombe, die wöchentliche Nachrichten von sämtlichen Nornen zusammenträgt, vermittelte mir den Eindruck, dass Larry, unser pastorales Lämmlein, nach dir blökt.«
»Er wird drüber wegkommen«, sagte sie mit der Zuversicht einer Frau, die schon manchen Bewerber, den ihre Gleichgültigkeit an den Rand des Todes getrieben hatte, auf wundersame Weise hatte genesen sehen. »Kee ist in so was weitaus besser als ich.«
»Und sie hat dir erzählt, dass sie ihn liebt?«
»Natürlich nicht. Kee erzählt mir grundsätzlich nichts, wovon sie glaubt, dass es mir Zukunftsängste bereiten könnte.«
»Und wärst du besorgt, wenn sie den Pfarrer heiraten würde?«
»Nicht wirklich. Ich bin sicher, dass sie
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