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Der Schrei des Eisvogels

Der Schrei des Eisvogels

Titel: Der Schrei des Eisvogels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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musste«, sagte Mrs. Pottinger und starrte unglücklich über die Wiese.
    Die Kinder wurden unruhig. Ein paar kleine Mädchen kicherten Wield ungeniert entgegen. In einem von ihnen erkannte er das Mädchen wieder, das ihm tags zuvor ins Motorrad gelaufen war, blinzelte ihm zu und erntete umso heftigeres Kichern.
    »Jetzt werdet mal nicht albern«, ordnete die Lehrerin an, während sie selbst Wield neugierig musterte.
    »Das ist Sergeant Wield von der Kriminalpolizei«, sagte Digweed schwerfällig. »Mrs. Pottinger, unsere Schulleiterin.«
    »Hoffentlich ist nichts passiert?«, fragte sie.
    »Reine Routinesache«, sagte Wield. »Das kleine blonde Mädchen, wie heißt sie?«
    »Madge Hogbin. Sie lebt bei ihren Großeltern oben im Pförtnerhaus von Old Hall. Kennen Sie sie?«
    »Wir sind uns schon mal über den Weg gelaufen«, sagte Wield ausweichend. Es wäre interessant, mit dem Kind zu plaudern, aber nicht hier.
    »Na ja, wir müssen dann mal«, kündigte Mrs. Pottinger an. »Wir wollen zum Fluss runter, um zu sehen, ob wir den Eisvogel irgendwo entdecken können. Haben Sie ihn gesehen, Mr. Digweed? Er wurde ein paarmal gesichtet.«
    »Noch nicht. Ich möchte wetten, dass Girlie Guillemard ihn importiert hat, damit sie mit all ihren Projekten in der Hall Erfolg hat.«
    »Ich wünschte, wir könnten auch etwas importieren, das uns weiterhilft«, sagte die Frau. »Also gut, Kinder, ab mit euch, und nicht rennen! Auf Wiedersehen, Sergeant, Mr. Digweed. Bis heute abend.«
    »Dieser Reverend Harding«, sagte Wield, als die Schlange sich auf den Weg machte. »Was hat der getan?«
    »Die Schule war vor sechzig Jahren in einem derart desolaten Zustand, dass die Vorfahren der heutigen Mächte der Finsternis schon damals drohten, sie zu schließen und alle Kinder nach Byreford zu schicken. Harding hat die Schule fast ganz aus eigener Kraft wieder aufgebaut und diese Mächte in ihre Höhle zurückgejagt, aus der sie, nach all den Jahren, nun blinzelnd wieder hervorkriechen und sich im Schritt kratzen. Aber Sie wollen doch sicher nicht tatenlos hier herumstehen und über etwas so Belangloses wie die Zukunft einer Dorfgemeinde schwatzen, wo Sie sich doch schließlich um das Schicksal eines ganzen Polizisten zu kümmern haben?«
    Er stolzierte davon und Wield folgte ihm geduldig, bis sie wenig später das eigentliche Dorf erreichten, mit dem Rathaus auf der einen Straßenseite und dem Morris Men’s Rest auf der anderen.
    »Guter Pub?«, fragte Wield in der Hoffnung, Digweed mit einer solch unverfänglichen Bemerkung keine Steilvorlage zu liefern.
    »Kommt drauf an«, sagte Digweed. »Wenn Sie auf Heavy Metal, Diskolicht und Lagerbier stehen, dann ist er lausig.«
    Wieder daneben, dachte Wield.
    Sie liefen die High Street entlang. Zu Fuß wirkte das Dorf viel weitläufiger als, selbst bei langsamer Fahrt, vom Motorrad aus. Zwischen den Häuschen an der Straße führten vielfach schmale Durchgänge auf die Hinterhöfe, an deren Ende sich eine zweite Häuserreihe verbarg. An einer Ecke befand sich die Post nebst Lebensmittelladen, an dessen Hauswand ein reich verziertes Schild Herrn Dudley Wylmot als Eigentümer auswies.
    Digweed trat, mit Wield im Schlepptau, in den Laden. Hinter der Theke sortierte eine Frau die Post.
    »Damit hat’s keine Eile, Daphne«, sagte Digweed. »Unser Champion von Briefträger hat seinen Wagen in den Straßengraben gesetzt.«
    »Ach du je«, sagte die Frau in einem Ton, der nach gehobener Herkunft klang, ohne affektiert zu wirken. »Hoffentlich ist ihm nichts passiert?«
    »Es wird nicht das letzte Mal gewesen sein, dass er zu schnell gefahren ist«, sagte Digweed lächelnd.
    Er mag die Frau!, dachte Wield. Sie sah zweifellos gut aus, auch wenn – mit dem leicht getönten, elegant frisierten Haar und einem gekonnten, doch keinesfalls übertriebenen Make-up – die Kunst vollendete, was die Natur begonnen. Nicht mehr weit von den Vierzig entfernt, schätzte Wield, dessen eigener Mangel an Schönheit ihn bei anderen zum Kenner machte. Und sie wird vermutlich immer noch so aussehen, wenn sie sich den Sechzig nähert. Das wenigstens haben wir gemeinsam!
    »Ist was passiert? Hallo, Edwin.«
    Hinter der Ladentheke hatte sich ein Mann erhoben, der in jeder Hand eine Dose Erbsen hielt. Er war nicht so angezogen, als wollte er Dosen einordnen, es sei denn ein Blazer mit Messingknöpfen nebst getupftem Halstuch wäre die empfohlene Berufskleidung. Er hatte eine vorstehende Nase über dem Menjoubärtchen,

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