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Der Schrei des Eisvogels

Der Schrei des Eisvogels

Titel: Der Schrei des Eisvogels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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knurrte flehentlich. Er drückte die Klinke hinunter. Es war geschlossen, doch das Geräusch holte Dora Creed aus der Küche. Sie sah ihm nicht gerade freundlich entgegen, während sie die Tür aufschloss.
    »Entschuldigen Sie, aber ich kam gerade vorbei, und ich hab noch nicht gefrühstückt und konnte Ihr Gebäck riechen …«
    »Ich mache die Sachen für die Abrechnung des Squires fertig«, sagte sie. »Heute morgen habe ich alle Hände voll zu tun.«
    »Ja, ja, kann ich mir denken. Tut mir leid, wenn ich Sie belästigt habe …«
    »Sie haben in der Corpse Cottage übernachtet, nicht? Sie sind aber schon früh auf den Beinen.«
    »In die Post ist eingebrochen worden«, sagte er.
    »Schon wieder? Weh denen, die Böses gut und Gutes böse nennen. Warten Sie hier einen Moment, Sergeant.« Sie verschwand in der Küche und ließ Wield mit der Frage stehen, wieso sie angesichts dieses neuerlichen Zeichens menschlicher Verderbtheit nicht sonderlich überrascht schien. Wenige Minuten später kam sie zurück, einen Plastikbeutel mit einem in Alufolie gewickelten Päckchen in der Hand.
    »Besten Dank«, sagte Wield. »Was bin ich Ihnen …«
    »Das stecken Sie mal schnell wieder weg, den Dank auch, Sergeant, denn ich bin hungrig gewesen, und ihr habt mich gespeist. Ich bin ein Fremdling gewesen, und ihr habt mich beherbergt. Meine Pflicht und Schuldigkeit, war mir ein Vergnügen.«
    Das reicht, um einen Mann zur Religion zu bekehren, dachte Wield, und seine Konversion wurde bekräftigt, als er das Päckchen aufmachte und darin ein wahres Festmahl aus frisch gebackenen, mit knusprig heißem Schinkenspeck gefüllten Brötchen entdeckte. Er spülte sie mit einer Tasse von Bendishs gutem Tee herunter und hatte für kurze Zeit das Gefühl, dass die Welt in Ordnung sei.
    Doch schon Minuten später drängte sich ihm erneut die bange Frage auf, was Bendish zugestoßen war, und mit ihr kehrte seine alte Überzeugung zurück, dass Schinkenbrötchen zwar ein starkes Argument für mildernde Umstände waren, dass Gott aber, so wie er die Geschicke der Welt lenkte, zumindest der groben Fahrlässigkeit überführt war.
    Um Punkt acht klingelte das Telefon. Hastig griff er nach dem Hörer. Er betete, dass es der junge Mann war, der anrief, um sich für seine Verspätung zu entschuldigen … nur würde er das kaum unter seiner eigenen Nummer tun!
    »Morgen, mein Sonnenschein. Irgendwas los gewesen?«, meldete sich Andy Dalziel.
    »Nein, Chef. Nur ein Einbruch in der Post.«
    »Tatsächlich? Was mit unserem Fall zu tun?«
    »Möchte ich bezweifeln. Und nun, Chef?«
    »Was empfiehlst du? Den Zirkus?«
    Das war eine klare Frage. Dalziel wünschte klare Antworten.
    »Wenn ich es zu entscheiden hätte, würde ich sagen, nein. Zumindest noch nicht«, sagte er.
    »Irgendein besonderer Grund?«
    »Ich habe einfach das Gefühl, dass an einem Ort wie diesem nichts ganz und gar Schlimmes passiert.«
    »Ich möchte das Gesicht von Desperate Dan sehen, wenn ich ihm das zum besten gebe!«, sagte Dalziel. »Aber du bist der Mann vor Ort, Wieldy. Im Moment. Ich komm später mit dem Jungen raus, um mir selber ein Bild zu machen. Versuch bis dahin, nicht gar zu bodenständig zu werden. Und eins will ich dir sagen, Wieldy …«
    »Ja, Chef?«
    »Falls der junge Bendish noch am Leben ist, wenn wir ihn finden, kann es sein, dass ich den Bastard eigenhändig erwürge.«

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    Vierter Band
     

Prolog
    Auszug aus dem Tagebuch von Frances Harding (geborene Guillemard)
    18. Februar 1932.
War das ein wechselvoller Tag! Der Morgen war grau und düster. Um zehn ist Stanley zum Palast gegangen, um dem neuen Bischof einen Besuch abzustatten. Er rechnete mit einem Tadel wegen seiner Kampagne zur Renovierung der Schule, und obwohl er wusste, dass sein Aufruf an die Eltern, ihre Kinder so lange nicht zur Schule zu schicken, bis die Bausubstanz und die unhygienischen Waschräume etc. in Ordnung gebracht würden, an Gesetzesübertretung grenzte, hoffte er doch darauf, wenigstens das Verständnis des Bischofs zu gewinnen. Ich blieb daheim, um im Pfarrhaus die Sachen für den Basar entgegenzunehmen, mit dessen Erlös wir unseren Bauetat aufbessern wollten. Als Stanley zurückkam, sah ich, dass er etwas viel Schlimmeres bekommen hatte als einen Tadel. Wir sollen wegziehen bzw. man will uns versetzen lassen! Unverkennbar hat dabei mein Vater die Hände im Spiel. Er ist in seiner Ablehnung gegenüber Stanley völlig unnachgiebig. Er lässt sogar jeden Sonntag zweimal

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