Der Schreiber von Córdoba
reinem Gold überzogen sind.
Aber sie haben die Harmonie zerstört,
die schlichte Form.
Die Christen haben einen riesigen Chor –
überladenes Holzgestühl, kalten grabgrauen Stein –
mitten hineingesetzt. Für die Christen
ist das ein Fortschritt. Aber uns paar treuen Muslimen,
die wir noch diese Straßen bevölkern,
tut es in den Augen weh. Wie Rouge auf den Wangen
eines zehnjährigen Mädchens, das blühend aussieht,
wie es von Natur aus ist.
Selbst die Christen haben anscheinend keinen Respekt davor.
Der Innenhof, in dem Muslime sich einst
vor ihren Gebeten wuschen, ist in diesen Tagen beliebt
als Verabredungsort für Liebende.
Einst soll die Moschee einen Zauber besessen haben.
Selbst wenn sie mit Tausenden von Gläubigen gefüllt war,
fühlte es sich noch an, als hätten weitere zehntausend Platz.
Sie schien geschaffen,
sagen die Chronisten, aus Schatten und Licht.
Jetzt ist sie nur noch toter Marmor und Stein.
Dame
Ich habe mich in diesen Gedanken verloren.
Daher erschrecke ich, als ich Stiefel auf den Fliesen höre.
Ein leises, unterdrücktes Lachen.
Nicht die Stimme eines Mädchens.
Dann kommt sie.
Sie rauscht auf die Szene wie eine Dame bei Hofe.
Zwingt alle Blicke auf sich.
Kann dieses Mädchen nicht diskret sein?
Einmal mehr denke ich: Was sieht er bloß in ihr?
Dann fällt mir wieder ein, wie zornig ich bin.
Sie und Ramón sind füreinander gemacht. Das ist alles.
Kann sie nicht ihren Verstand gebrauchen? Sich weniger auffällig postieren?
Wenn ein Muslim
mit einem Christenmädchen ihrer Schicht gesehen wird – und allein …
Vielleicht liegt ihr nicht viel an ihrer Ehre.
Aber ich möchte meinen Kopf auf dem Hals behalten.
Jetzt summt sie, wenn man
es so nennen kann. Habe ich in letzter Zeit wirklich gefunden,
dass alles zu ruhig ist?
Die Stimme dieses Mädchens könnte Drachen
aus ihren Höhlen scheuchen.
Ein kleines weißes Viereck
Wieder das leise Lachen. Ich schaue mich um: dort.
Ein paar junge Männer in einer Ecke. Bedrohung liegt in der Luft.
Ich weiß nicht, was sie im Schilde führen.
Aber ich brauche nicht Hafis, um zu erraten,
dass sie nicht hier sind, um zu beten.
Wenn sie mich mit Bea sehen …
Aber ich kann nicht den ganzen Tag warten!
Ich gehe direkt auf sie zu.
Warum sollte ich dieses Gesindel fürchten?
Sie blickt zu mir auf, als sei ich eine Beule,
die mit Eiter gefüllt ist.
»Es tut Ramón sehr leid«, sage ich.
»Er hatte eine Verpflichtung, daher
konnte er nicht kommen.«
Verwirrt steht sie vor mir.
Man hätte meinen können, ich hätte gerade gesagt:
»Ramón sind drei Köpfe gewachsen.«
Die Männer in der Ecke sind still.
Sie lauschen natürlich.
Ich muss höflich sein.
»Señorita Álvarez«, fange ich an,
»Ramón hat mich gebeten,
Euch ein Geschenk zu geben.«
»Ach, bringen wir es hinter uns«,
schnaubt unsere Heldin in wenig schicklichem Ton.
Und sie wirft mir etwas zu.
Es ist entweder ein Unterpfand,
das in ein weißes Taschentuch gewickelt ist,
oder das Taschentuch selbst ist das Geschenk.
Diese ritterlichen Rituale sind lächerlich.
Mit diesem wertlosen Viereck
verpfändet eine Frau ihr Herz!
Ich stecke gerade die Hand in die Tasche,
um ihr Geschenk herauszuziehen,
da passiert es.
Nicht zum ersten Mal
geht die Welt, die ich kenne,
unter.
Hagel
Ich wappne mich für die schrille Stimme Beas,
erwarte, dass sie wenigstens
ein einziges Mal Hilfe ruft.
Wie dumm ich bin.
Alles, was ich höre, ist der dumpfe Aufprall ihrer Tritte
und den harten, metallischen Hagel
ihrer Schläge.
Still
Ich halte so still wie ein Toter.
Es hat keinen Sinn, mich jetzt zu wehren.
Sind sie weg? Ich warte besser noch.
Aber wie lange kann ich hier liegen?
Der Tag verdämmert schon.
Wenn ich nach Beginn der Ausgangssperre
von den falschen Männern erwischt werde,
rettet mich keine Ausrede der Welt – nicht einmal,
dass ich dem Tode nahe bin – vor dem Gefängnis.
Alles ist still. Ich muss es riskieren. Ich öffne ein Auge.
Eine Stiefelspitze trifft mich
wie ein Kanonenschuss.
Einer meiner Angreifer
ist zurückgekommen, um noch eins draufzusetzen.
Wieder nimmt er Anlauf.
Was dann geschieht, weiß ich nicht mehr so recht.
Noch schwerer ist es zu erklären.
Mit dem letzten Rest Kraft,
der in meinem Arm steckt,
strecke ich mich nach meiner Tasche, die neben mir liegt.
Ich fasse hinein und taste nach dem Messer.
Ziehe es heraus. Dabei gleitet es aus der Scheide,
die,
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