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Der Schreiber von Córdoba

Der Schreiber von Córdoba

Titel: Der Schreiber von Córdoba Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Little
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wie von Zauberhand, auf die Erde fällt.
    Ich habe keine Kraft zu kämpfen, aber vielleicht kann ich
    das Messer fest in der Hand halten.
    Ein lautes Aufjaulen, wie von einem Hund,
    der von den Rädern eines Karrens erwischt wurde.
    Mein Angreifer hatte mich packen wollen und
    dabei seine fleischige Pranke
    an der Messerspitze geritzt.
    Er sieht mich an wie vom Donner gerührt – aber nur kurz.
    Lutscht an einem blutenden Knöchel und flucht.
    Aber er kommt nicht näher.
    Sein Spaß ist für heute vorbei.
    Doch als er sich umdreht, um wegzulaufen,
    gibt er mir eine Botschaft.
    Er blickt mir in die Augen.
    Und lächelt.
      
    Alarm
    Ich werde immer schwächer.
    Meine Beine haben nicht die Kraft,
    mich aufrecht zu halten.
    Aber was kann ich tun?
    Meine Stimme erheben und rufen?
    Wenn ein Bürger einen Alarmruf ausstößt,
    müssen alle fallen lassen, was sie gerade tun, und helfen.
    Das schreckliche Lächeln hält mich davon ab.
    Es schien zu sagen:
    Verpfeife mich, wenn du dich traust.
    Du bist ein Maure, und wir führen
    Krieg gegen deinesgleichen.
    Selbst wenn die Leute glauben würden,
    dass ich dich angegriffen habe,
    würden sie sich wirklich darum scheren?
      
    Beschützer
    Papa hat mir von einem wunderbaren Buch erzählt,
    das er einmal abgeschrieben hat.
    Es enthielt Geschichten über den Himmel
    und Himmelskarten.
    Als er damit fertig war,
    ihre Namen mit Tinte zu schreiben,
    zog ein Vergolder zwischen den Sternen
    Linien aus purem Gold.
    Das Buch zitierte etwas,
    das einst ein Rabbi gesagt hatte (»bloß
    nannte es ihn einen Mönch!«, spottete Papa):
    Jeder Grashalm
    hat einen Stern, der ihn schützt
    und ihm leuchtet und zu ihm sagt:
    Wachse!
    Meine Augen suchen den Himmel ab.
    Hält einer dieser Sterne
    gerade Ausschau nach mir?
      
    Tricks
    Die Nacht geht schon in den Tag über, als ich erwache.
    Ich rapple mich mühsam auf,
    obwohl ich nicht weiß, wo ich hingehen soll.
    Niemand, an dem ich vorbeikomme, bleibt stehen und
    bietet mir Hilfe an. Eher sehen die Leute ärgerlich aus.
    Sie blicken finster auf meine Wunden
    und kehren mir den Rücken.
    Sind das Humpeln und das Blut
    denn nur Tricks, die ich erfunden habe?
    Requisiten, die ich mir ausgedacht habe, um ihren
    friedlichen Schlaf zu stören?
      
    Freilassung
    Ich habe mein Geld gespart.
    Habe Kleider gewaschen, um ihnen zu helfen,
    Essen auf den Tisch zu bringen.
    Aber dann habe ich, ohne es Mama oder Papa zu sagen,
    meine Kundschaft verdoppelt.
    In den noch dunkeln Morgenstunden habe ich
    Wäsche im Guadalquivir geschrubbt.
    Ramón beklagt sich immer, er könne nicht schlafen,
    wenn ich da sei, aber die Wahrheit ist,
    dass er es kann und auch tut – wie ein Murmeltier.
    Nicht ein einziges Mal hat er gehört,
    wie ich hinausgeschlichen bin.
    Papa war schockiert,
    als ich ihm meine Handvoll Münzen zeigte.
    Dann holte er ein Blatt Pergament.
    Es schien heller zu strahlen
    als eine ganze Kiste voll Maravedís:
    Es brachte sein Gesicht zum Leuchten.
    »Amir, ich hatte das hier schon vorbereitet.
    Ich hoffe, das Arabisch ist halbwegs richtig.«
    Ich, Isidore Benveniste, lasse hiermit Amir,
    Sohn des Aman Ibn Nazir aus Granada, frei.
    Freilassen . Jeder Sklave kennt dieses Wort.
    Der Gedanke an seinen Klang singt uns oft in den Schlaf.
    Es gab noch einige kunstvolle Zeilen mehr in seiner schönen Schrift.
    Ich war frei! »Ich werde dein Geld nicht nehmen, Amir.
    Vielmehr würde ich, wenn ich selbst welches hätte, dich entlohnen.
    Du hast mir so viel beigebracht.«
    Mama kam herein.
    »Amir«, sagte sie freundlich,
    »wirst du bei uns bleiben als das, was du geworden bist?
    Als unser Sohn?«
      
    Das Maurenviertel
    Ich schäme mich, es zu gestehen,
    aber abgesehen von meinen Freitagsgebeten
    in der Moschee
    habe ich mich von dieser Gegend ferngehalten.
    Sie erinnert mich zu sehr an alles, was ich verloren habe.
    Meinen Geburtsort. Mein Zuhause.
    (Und jetzt noch ein zweites.)
    Ich gehe weiter hinein, als ich mich je vorgewagt habe.
    Die Moschee steht am Rande des Viertels,
    wo die Christen
    sie im Auge behalten können.
    Aber in den wenigen Straßen dahinter wohnen Mudéjares
    zu Hunderten.
    Wird es irgendjemand merken, wenn noch einer mehr da ist?
      
    Gebetsruf
    Kein Muezzin ruft
    von einem hohen Minarett.
    Macht nichts.
    Alle Männer wissen es.
    Es ist Zeit zu beten.
    Sie strömen von überallher herbei.
    Zimmerleute, Steinmetze,
    selbst Männer ohne Arbeit.
    Sie gehen Richtung Moschee
    mit sicheren, ruhigen Schritten.
    Viele kommen von

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