Der Schreiber von Córdoba
wenn man einem das Leben nimmt – oder verursacht,
dass es ihm genommen wird –, um mehrere andere zu retten?
Ist man in diesem Fall
nur eine Sprosse einer Leiter?
Einer Leiter, die zum
Untergang der Welt führt?
Konflikt
Das Offizium und Bea
haben mir befohlen,
am selben Tag zu kommen –
und zur selben Stunde!
Ist das ein Zeichen von oben?
Darüber kann ich jetzt nicht nachdenken.
Ich muss die Sache auf die Reihe bringen.
»Ich tue es nicht «, sagt Amir.
»Ich muss waschen. Etwas zu essen
ist viel wichtiger als ein
herrisches Mädchen.«
Ich kann ihm nicht die Wahrheit darüber sagen,
wohin ich gehen muss –
oder warum ich diese Verabredung mit Bea
nicht einfach achselzuckend abtun kann.
Im Laufe nur einer Woche
habe ich sie fürchten gelernt.
Das Licht in ihren Augen,
die Wärme ihrer Hand
bewirkten, dass ich ihr vertraut habe.
Aber als sie andeutete,
mein Blut sei nicht rein,
habe ich gezittert.
Würdet ihr das nicht auch?
Sie macht vielleicht nicht extra einen Umweg,
um uns anzuschwärzen.
Aber was wird sie sagen, wenn ihr Papa,
dieser Schoßhund des Offiziums,
nach mir fragt, wenn sie gerade wütend oder beleidigt
oder einfach nur schlecht gelaunt ist, wie so oft?
Mein grünes Gesicht beim Essen von Schweinefleisch
wäre mehr als genug,
um uns alle hinter Gitter zu bringen.
Seht ihr jetzt,
warum ich ihren Zorn fürchte?
Er muss gehen.
Er muss!
Geschenk
So – was kann ich ihr geben?
Das Beste, was du hast.
Zuerst gehen meine Gedanken
zu meinem Meisterstück.
Aber was sollte ein Mädchen, das kaum lesen kann,
mit einem dicken Wälzer über Herakles anfangen?
Was würde sie als das Beste ansehen, was ich habe?
Ich hab’s. Mein Messer
aus Toledo.
Das ist etwas,
was ein Ritter seiner Dame geben könnte.
Es heißt, Stahl aus Toledo
würde nie sein Ziel verfehlen.
Ich frage mich, ob das auch
hartherzige Mädchen mit einschließt.
Geh!
Er tut so, als hätte er vergessen,
wovon ich rede.
Mein Herz wird schwer. Ich habe keine Zeit,
mit Amir zu streiten.
»Was sagt Papa dazu?«, fragt er hochmütig.
»Ich glaube nicht, dass er es billigen würde,
wenn ich mit diesem Mädchen
gesehen würde.«
Mein Blut wallt auf, und nicht nur,
weil er Bea damit verunglimpft.
Was soll dieses Gerede
von Papa ?
Ich brülle ihn an.
» Mein Papa will, dass du mir
gehorchst!«
Er richtet sich zu voller Größe auf.
(Wie ich diese Gewohnheit hasse!)
»Vielleicht sollte Papa wissen,
dass du ein verwöhnter, liebestoller Esel bist!«
»Du bist der Sklave dieses Esels, also tu,
was ich dir sage!«
Da erstarrt er –
für einen Moment. Aber er
legt wieder los.
»Papa …«
»Er ist nicht dein Papa!«, und
ich schlage ihn, heftig,
mit dem Handrücken.
»Ich befehle es dir! Auf der Stelle!
Gehorche mir.
Zieh ab.«
Ich werfe ihm das Messer mitsamt seiner Scheide
vor die Füße.
Er zögert, aber er hebt es auf.
Jetzt kann ich nur noch hoffen,
dass er es nicht gegen mich gebraucht.
Das Heilige Offizium
Ich hatte Ungeheuer erwartet, Männer
wie die Feuer speienden Drachen aus
den Geschichten von Merlin.
Bereit, mich zu Asche zu verbrennen
mit einem einzigen unehrlichen Buenos días .
Aber der Wächter, der mich in diesen Raum
geführt hat, ist ein gewöhnlicher junger Mann,
kaum älter als ich.
Wir reden nicht.
Ich schaue ihn an.
Er ist so alltäglich wie ein Stein.
Keine Totenköpfe
sind an seinem Gürtel aufgereiht.
Seine Finger sind schmutzig,
aber sie enden nicht in Klauen.
Unsere Augen begegnen sich
nur einmal.
Was hatte ich erhofft?
Ein Lächeln? Ein Angebot von Freundschaft?
Ein winziges Zeichen der Anteilnahme?
Ich sehe nur
einen Funken Freude –
darüber, dass ich ich bin
und er das Glück hat,
er zu sein.
Kommunion
Es liegt auf dem Tisch, genau zwischen uns,
wie Brot, das geteilt werden soll.
Mein Meisterstück.
Aber mein Inquisitor
ist nicht begierig, zu erfahren,
welche Talente ich habe.
Er liest stattdessen in mir .
Ich habe ihm gesagt, dass ich gut Spanisch schreiben kann
und auch ein paar Worte Arabisch.
Das weckte für einen Moment seine Achtung.
Aber er traut mir nicht.
Er zeigt auf mein Buch.
Hast du gewusst, junger Meister,
dass dieser Herakles unerlaubt ist?
Dass er jetzt auf unserer Liste
ketzerischer Bücher steht?
Ich schaue ihn erstaunt an.
Es ist nicht geheuchelt.
»Nun«, fragt er,
»was sollen wir
mit deinem Meisterstück machen?«
Ich stelle mich
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