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Der Schreiber von Córdoba

Der Schreiber von Córdoba

Titel: Der Schreiber von Córdoba Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Little
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ich mich umdrehe, um hinzuschauen.
    Wieder habe ich ihn verpasst.
    Oder sie verpasst.
    Jede Nacht habe ich versucht, wach zu bleiben,
    damit ich sehe, wer es ist.
    Aber mein Kopf und mein Herz
    sind zu schwer.
    Ich schlafe.
    Ich träume
    von unserem Innenhof in Córdoba.
    Vom tröstlichen Schatten
    seines einen Zitronenbaums.
    Mama ist da.
    Wir tauschen Geschichten über
    unsere dunkelsten Stunden aus.
    Und über unsere schönsten.
    Wenn ich hier aufwache
    an diesem Fleckchen Erde,
    erinnere ich mich an kein einziges Wort,
    das wir in meinem Traum gesprochen haben.
    Aber ich fühle mich erfrischt.
    Und die kühle Morgenluft
    scheint erfüllt vom Duft
    eines Zitronenbaums.
      
    Sklaven
    Im kleinen Innenhof der Moschee findet ein Festmahl statt.
    Eine Gruppe Muslime aus Afrika sind die Ehrengäste.
    Sie wurden von Piraten gefangen und nach Kastilien gebracht,
    um dort schnell verkauft zu werden – auf ebenjenen Sklavenmärkten,
    die ich nur allzu gut kenne.
    Aber die guten Mudéjares von Córdoba
    haben sie gerettet. Sie haben zusammengelegt,
    was sie hatten, um die Männer freizukaufen.
    Die afrikanischen Muslime halten Reden. Ihre Worte
    klingen für mich eher chinesisch
    als arabisch. Haben sie einen seltsamen Akzent?
    Oder ist es einfach so lange her,
    dass ich meine eigene Sprache gehört habe?
    Manches verstehe ich. Sie sprechen von der Taktik
    von Ferdinands Heer.
    Die Soldaten des Königs plündern und töten ohne Gnade.
    Und nicht nur das – sie verwüsten und zerstören
    genau das Land, das sie sich aneignen möchten!
    Sie zünden Felder an, reißen Dämme ein.
    Lassen nichts am Leben.
    Ich lauere. Mein Magen schlägt Purzelbäume bei all den köstlichen Düften.
    Als ich denke, ich könnte es nicht mehr länger aushalten,
    schaue ich zu Boden.
    Eine Schüssel mit Fleischeintopf dampft neben meinem Knie.
    Zimt, Knoblauch und Lamm.
    Und noch ein anderer Duft umweht mich.
    Einer, den eine Frau,
    schön wie eine Taube, wählen würde.
      
    Freund
    Dieses Viertel hat seinen eigenen Ordnungshüter, einen
    dicken Mudéjar,
    den die Königin angestellt hat.
    Aber später am Abend kommt dennoch ein christlicher Büttel,
    um die Gesellschaft aufzulösen.
    Muslime brechen das Gesetz des Landes,
    wenn sie sich länger versammeln, als es der Königin recht ist.
    Also gehen wir unserer Wege.
    Doch als ich zurückkomme
    zu meinem Fleckchen Erde,
    ist dort ein Mann. Ich sehe,
    dass er mich erwartet. Ich bleibe stehen.
    Er streckt die Hand aus.
    »Hab keine Angst, Sohn«, sagt er.
    »Ich bin ein Freund.«
    Ein rundes, vollkommen geformtes Ei
    liegt in seiner Handfläche.
      
    Frei
    Ich lache mich selber aus.
    Eine Frau, schön wie eine Taube , soso! Anscheinend
    bin ich Ramón doch nicht sonderlich überlegen –
    habe ich mir doch eine schlanke, junge Beschützerin ausgedacht
    statt dieses ernsten alten Bären von einem Mann.
    Dann sehe ich sie.
    Nur ihre Augen sind unbedeckt.
    Aber ihr Licht strahlt heller
    als sieben Bootsladungen von blonden
    Bea-Haaren.
    »Meine Tochter sagt, sie hat dich ernährt,
    mein Freund«, sagt der Mann. »Eine Woche lang!
    Du hast Glück, dass meine Tochter sich gerne
    über die Regeln ihrer Eltern hinwegsetzt.«
    Ihre Augen lächeln.
    So süß, dass ich es nicht ertrage.
    Aber nicht deswegen
    muss ich wegschauen.
    Es ist, als wäre ich wieder ein kleiner Junge, nicht älter
    als drei. Ich sitze an einem Tisch mit meiner
    lieben Mutter.
    Die Zeit steht einen Atemzug lang in ihrem Stundenglas still.
    In diesem Moment sind wir beide hier.
    Und beide frei.
      
    Frei (2)
    Es dauert nicht lange – die Rede kommt auf den Krieg
    und bricht den Zauber.
    »Wir wollen nur Frieden«, sagt der Mann.
    »In Ruhe gelassen werden.«
    »Aber Ihr seid nicht frei.« Ich sollte sie nicht beleidigen.
    Schließlich verdanke ich ihnen mein Leben.
    Aber nach so vielen Jahren ungebrochenen Schweigens
    sehnt sich meine Zunge danach, zu reden.
    »Bei allem Respekt, Herr, Ihr gehört der Königin.
    Ihr bezahlt zusätzliche Steuern, damit Ihr leben könnt.
    Und das an dem Ort, an dem wir einst
    als Kalifen und Emire geherrscht haben.«
    Der Mann wird nicht ärgerlich.
    Auch er möchte reden.
    »Du bist noch jung«, sagt er zu mir
    und schüttelt den Kopf.
    »Mag sein. Aber die Weisen meinen,
    Sklavenjahre seien zehnmal so lang wie die Jahre,
    die man in Freiheit verbringt«, sage ich.
    »An solchen Jahren bin ich alt genug, fürchte ich.
    Und ich bin müde.«
    Meine nächsten Worte
    richten sich mehr an mich

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