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Der Schreiber von Córdoba

Der Schreiber von Córdoba

Titel: Der Schreiber von Córdoba Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Little
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Mauer, Ramón.
    Er sieht mich nicht,
    oder falls er mich sieht,
    schaut er glatt durch mich durch.
    Als wäre ich ein Fenster
    in einem schicken neuen Haus,
    zugedeckt, aber nur mit Glas.
    Stattdessen beginnt er,
    Señora Monzon anzuschreien.
    Eine reinere Altchristin findet man
    in ganz Kastilien nicht.
    Der Mann schüttelt die Faust.
    »Verschwinde, du Jüdin!«
    Die Frau ignoriert ihn.
    Ein Reiter, der gerade vorbeikommt, lacht nur.
    »Du verrückter alter Kerl«, sagt der Edelmann.
    »Du siehst noch einen Juden
    in einem Grashalm!«
      
    Also …
    Also
    habe ich wohl überreagiert.
    Zwar
    wird Señor Ortiz wahrscheinlich sterben –
    nur wenige überleben die Pocken.
    Ich wäre nie auf diesen Plan gekommen,
    wenn das nicht so wäre.
    Aber
    der Tod hält die Inquisition
    von nichts ab.
    Bei jedem Autodafé
    habe ich Leute auf dem Scheiterhaufen
    brennen sehen, die schon lange tot waren.
    Sie graben zu diesem Zweck
    selbst ihre Knochen aus.
    Ich schätze, es ist besser,
    als lebendig verbrannt zu werden.
    Aber ich denke, der Tod ist heilig.
    Niemand hat diese Art von
    letzter Schande verdient.
    Also
    bin ich doppelt froh,
    dass sie mich, als ich
    den Señor verpfeifen wollte,
    wieder weggeschickt haben.
    Dennoch
    nagt etwas an mir.
    Ehe der Schreiber gesagt hat,
    ich solle in zwei Wochen wiederkommen,
    hat er nach meinem Namen gefragt.
    Ich habe nicht gesehen, dass er ihn aufgeschrieben hat.
    Oder
    vielleicht doch?
    Habe ich?
    In meinem Kopf herrscht ein Wirrwarr
    von Panik
    und Reue.
      
    Unterpfand
    Bea sagt, für ein Unterpfand
    gebe es keine bessere Zeit als die schlimmste.
    Ich glaube , das bedeutet,
    sie liebt mich vielleicht.
    Ich soll sie an diesem Freitag treffen.
    Im Innenhof der Kathedrale.
    Wir werden unsere Freundschaft
    (wie sie es nennt)
    durch den Austausch von Geschenken besiegeln.
    Sollte ich jetzt vielleicht gestehen,
    dass ich bitterarm bin?
    Sie durchschaut mich. »Es ist mir egal, was es ist –
    es sollte einfach nur das Beste sein,
    was du hast.«
    Ich bin erleichtert.
    Einen Wimpernschlag lang.
    »Enttäusche mich nicht, Ramón.
    Viele Jungen, die reineres Blut haben als du,
    würden für die Chance, zu mir zu gehören,
    in den Guadalquivir springen.
    Meine gar nicht süße Seite
    lernst du besser nicht kennen!«
      
    Arzt
    Jener Arzt nennt Señor Ortiz
    unseren »Gönner«.
    Er ist sicher, wir freuen uns, wenn wir hören,
    dass unser »Gönner« bald wieder gesund wird.
    Einfach ein Fall – gar nicht selten – von zu viel schwarzer Galle.
    Ob uns aufgefallen sei, dass er in letzter Zeit
    melancholisch war?
    Señor Ortiz war noch nie das,
    was ich mir unter lustig vorstelle.
    Papa zuckt die Achseln. »Aber die Pocken?«, fragt Mama.
    Nur ein Ausschlag an den Händen,
    wahrscheinlich, weil er sie zu wenig gewaschen hat.
    »Anscheinend hat Euer Gönner das übliche Misstrauen
    der Altchristen gegenüber Wasser«, lächelt er.
    Tanzen Fünkchen in seinen Augen,
    als er das sagt?
    Wir danken ihm nur und nicken.
    »Noch etwas. Ich bin sicher, ich brauche nicht …«
    Seine Worte klingen so ruhig,
    aber sein Gesicht verrät Furcht.
    Ich mag diesen Mann.
    Da überrascht mich Papa mit seiner heftigen Reaktion.
    Er ergreift die Hand des Mannes.
    Aber der Arzt sieht nur dankbar aus, nicht schockiert.
    »Ihr habt nichts zu fürchten, guter Mann«, sagt Papa.
    »Soweit wir vier hier wissen und bezeugen,
    wart Ihr niemals hier.«
      
    Vorladung
    Schon vor Sonnenaufgang
    hämmert es an unsere Tür.
    Mein Herz sprengt fast meinen Brustkorb.
    Das Offizium kann nicht einmal
    einen Botenjungen schicken,
    ohne Angst zu verbreiten.
    Jetzt danke ich Gott,
    dass ich nicht schlafen kann.
    Ich höre es,
    ehe irgendjemand aufwacht.
    Die Botschaft selbst
    ist nur kurz.
    Mein Besuch wurde vermerkt.
    Die Inquisitoren fragen sich,
    wo ich denn bleibe.
    Ich stottere etwas
    von krank sein.
    Ich bekomme eine Vorladung,
    ein Papier, so grob wie das
    Gesicht einer Hexe.
    Ich mache Feuer.
    Dieses Blatt wird verbrennen,
    ehe meine Eltern
    es sehen.
    Aber ich kann es nicht ignorieren.
    Am Freitag soll ich erscheinen.
    Ich muss wohl oder übel hingehen.
      
    Ein Leben
    Wenn ich es sage,
    verurteile ich dann unseren Hausherrn
    zum Tod?
    Und dieser Arzt mit den tanzenden Fünkchen
    in den Augen – was würde ihm
    passieren?
    Ich denke an einen Satz,
    den mir Papa einmal beigebracht hat.
    Der Mann, der ein einziges Leben rettet,
    rettet die ganze Welt.
    Ich frage mich: Ist denn
    auch das Gegenteil
    wahr?
    Was ist,

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