Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Schreiber von Córdoba

Der Schreiber von Córdoba

Titel: Der Schreiber von Córdoba Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Little
Vom Netzwerk:
konvertieren.
    Merkwürdig in diesen Tagen, nicht wahr?
    Aber er hat gesagt, dass die Kirche, die Menschen
    wie Fleisch brät, kein Ort für ihn ist.
    Also ist er in eine Synagoge in Toledo gegangen
    und hat um Unterweisung gebeten.
    Der Rabbiner, mit dem er sprach,
    war nicht mutiger als wir, die wir diese Waffen transportieren.
    Er hat um sein Leben gefürchtet und unseren Freund
    ans Offizium verraten.
    Jetzt müssen ihn Juden gefangen halten,
    was die kuriose Sache noch merkwürdiger macht.
    Wir haben nicht gewagt, abzulehnen.
    Und außerdem, welche andere Arbeit
    können Juden in diesem Land noch tun?
    Aber er geht nur durch uns hindurch.
    Ein Geist, der durch eine Wand
    von anderen Geistern geht.
    Dennoch geeignetes Futter
    für die heiligsten Feuer.«
      
    Taschen
    Ich bin erstaunt.
    Sie machen sich die Mühe, Autodafés durchzuführen,
    mitten im Krieg?
    »Natürlich! Und warum nicht?
    Die Königin sieht den Scheiterhaufen und das Schwert
    als Werkzeuge zum gleichen Zweck –
    ein rein christliches Spanien zu erreichen.
    Und der König sagt, die Inquisition sei Feuer –
    verzeih mir den Ausdruck –
    für die Moral seiner Männer.«
    »Ganz zu schweigen davon, dass sie Mittel bringt,
    all dieses Spielzeug zu kaufen!« Ein Mann
    mit einer runden Knopfnase hat sich eingeschaltet.
    »Niemand wird mit vollen Taschen begraben, mein Freund!
    Solange Rückfällige auf dem Scheiterhaufen verbrannt werden,
    wird es Geld geben, um die teure Maschinerie
    dieses Krieges gegen die Mauren zu schmieren.«
    Mir schwirrt der Kopf.
    All das erscheint mir wie ein endloser Kreislauf.
    Ich erinnere mich an Ramóns Worte.
    Dieser blutdurstige Ort.
    Bei diesem Tempo werden wir alle
    auf den Tod warten müssen, um dem Kreis zu entrinnen.
      
    Tausch
    Der Gefangene löst den Blick
    nicht vom Boden.
    Ich dagegen kann nicht aufhören,
    ihn anzustarren.
    Seine Kleidung ist wie die eines jeden Christen.
    Er trägt keinen sanbenito . Noch nicht.
    »Tausche mit ihm«, drängen mich die Männer.
    Sie beäugen mein Mudéjar-Abzeichen, meinen Turban,
    mein knöchellanges Gewand.
    »Du kannst nicht die Heere des Königs passieren
    in diesen Kleidern.«
    »Vergesst ihr nicht«, frage ich sie,
    »eine Kleinigkeit? Soll ich sagen,
    meine dunkle Haut verdanke sich einem Sonnenbrand?«
    Die Männer lachen.
    »Es gibt viele christliche Mauren auf der Seite des Königs.
    Sie sind sogar geschätzt.
    Sie können mit den Verrätern reden, die sich
    aus der Stadt schleichen, um Neuigkeiten zu verkaufen.
    Damit will niemand andeuten,
    du würdest das tun.«
    Trotzdem weigere ich mich. Wie viel schlechter ergeht es diesem Mann,
    wenn er in meinen Kleidern gesehen wird.
    Ein Christ, der Jude werden will und Mudéjar-Kleidung trägt!
    Am Abend gibt es ein Fest.
    Die Männer trinken süßen Juárez-Wein
    aus einem Fässchen.
    Der Elende flieht. Ich sehe ihn und tue,
    als würde ich schlafen. Aber er stolpert. Jemand wacht auf.
    Ein Pfeil bohrt sich in seinen Rücken,
    ehe er wieder aufstehen kann.
    »Wirst du jetzt seine Kleider nehmen?«
    Allah, verzeih mir.
    Ja.
      
    Geschenk
    Es ist das Letzte,
    was ich mit seiner Leiche mache.
    Ich habe ihm schon
    meinen Turban und mein Gewand angezogen.
    Aber ehe ich gehe,
    gebe ich ihm ein letztes Geschenk.
    Beas weißes Taschentuch
    – und ihren kleinen weißen Zahn.
    Es tut mir leid,
    ihm dieses Erbe zu hinterlassen.
    Aber ich will es loswerden.
      
    Gebet
    Nach zwei Wochen Weizenfeldern
    sind sie endlich verschwunden!
    Üppige Weingärten würzen die feuchte Luft.
    Olivenbäume sprenkeln
    die sanft geschwungenen Hügel.
    Das sind die Ufer
    des Flusses Xenil.
    Wir kommen vorwärts.
    Die Axarquía-Berge
    ragen in der Ferne auf.
    So oft wir können,
    lagern wir nahe an einem Fluss.
    Das ist für mich ganz besonders kostbar
    wegen meiner Gebete.
    Ich tauche Hände und Füße
    in das kühle Wasser.
    Endlich bin ich rein für meinen Gott.
    Ich nehme meinen Beutel mit, das Geld, das ich verdient habe.
    Manche der Männer in unserer Gruppe
    haben nicht viel zu verlieren.
    Aber eines Tages beim Gebet
    bezahle ich für mein Misstrauen.
    Ich drehe mich um und sehe einen Banditen – nicht einen der Juden –
    davonflitzen.
    In der Hand meine Tasche.
    Alles, was ich auf der Welt besitze.
      
    Oder doch nicht
    Hafis habe ich noch!
    Er steckt in der Decke, die ich als Kissen benutze,
    genau dort, wo ich ihn gestern Abend verstaut habe.
    Sein abgegriffener Einband verhöhnt mich.
    Das ist jetzt die Summe deiner

Weitere Kostenlose Bücher