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Der Schreiber von Córdoba

Der Schreiber von Córdoba

Titel: Der Schreiber von Córdoba Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Little
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konnte.
    Wasserbecken und Springbrunnen säumten jeden Weg.
    Die Christen glauben, es sei unmoralisch,
    zu viel zu baden. Außerdem, sagen sie,
    ein Mann verliere dadurch Kraft. Es schwäche ihn
    im Kampf, schmälere die Chancen zum Sieg.
    Was für ein Gestank wird auf jenen Schlachtfeldern herrschen!
    Ich lache beinahe, als ich daran denke.
    Meine Heiterkeit ist von kurzer Dauer.
    Wie ein Geist kommt ein Junge auf einem schweißbedeckten Pferd
    aus dem Nichts auf mich zugaloppiert.
    Er reißt mir die cantina vom nach vorne gesunkenen Hals.
    Die Schnalle verhakt sich in dem Tuch auf meinem Kopf;
    er dreht sie heraus und ist verschwunden.
    Das Gefäß war leer. Der Dumme ist er .
    Aber was werde ich füllen, wenn ich den nächsten Fluss finde?
    Werde ich das je?
      
    Brauntöne
    Ich schleppe mich so mühsam vorwärts,
    dass ich nicht mehr den Kopf heben kann.
    Ich spiele mit Analogien,
    wie ich es oft mit Papa getan habe.
    Er hat immer gerne
    zwei verschiedene Dinge verglichen,
    um herauszufinden, was sie gemeinsam haben.
    Also: eine Ähnlichkeit für jeden einzelnen Braunton –
    es gibt so viele.
    Da ist das Braun meiner Füße, die
    aus meinen Sandalen herausschauen, so braun,
    könnte man sagen, wie zwei sonnengetrocknete Ziegel.
    Da ist das Braun eines Waldhuhns im Dickicht
    dort drüben, heller, wie ein im Ofen aufgebackenes Brot.
    Und dann ist da das herzzerreißende Braun
    eines ausgedörrten Flussbetts, rostrot wie getrocknetes Blut.
    Da ist das Goldbraun der endlosen Weizenfelder
    – vielleicht ein Sonnenuntergang, der auf die Erde gefallen ist.
    Da ist –
    ich stolpere beinahe
    über die Männer.
    Ein brüllendes Gelächter bricht los, ein Sturm von Heiterkeit.
    Sie müssen mir schon eine Ewigkeit
    beim Gehen zugeschaut haben.
    »Was ist los mit dir, junger Denker?
    Haben wir zu wenig Sachen dabei, um deinen Blick zu verdienen?«
    Was meine ausgetrocknete Kehle
    noch an Atem hat, stockt.
    Ich habe noch nie so viel Stahl auf einmal gesehen.
    Fünf – nein, sechs – Wagen voller Waffen.
    Armbrüste, Keulen und lange, blitzende Schwerter.
    Dahinter zwei Rohre, so groß wie zwei stattliche Bären,
    wie ich sie bisher nur auf Bildern gesehen habe, in Büchern.
    Ich weiß genau, was das ist.
    Sie spucken Feuer.
      
    Zahlen
    Dieser ganze schauerliche Vorrat für nur eine Handvoll Männer?
    Was ist denn das für ein Heer?
    Oder lauern ihre Kameraden
    geduckt im Hinterhalt und erwarten,
    dass noch tausend weitere Exemplare von meiner Sorte
    auf sie stoßen?
    Ich richte mich auf, bereit, zu entfliehen.
    Nichts passiert. Ich bin erschöpft.
    Die Männer sehen es, lachen wieder.
    »Geh schon – lauf los. Wir werden dich nicht verfolgen!«, sagt einer.
    »Aber wie wäre es mit einem Bissen zu essen?
    Du siehst aus wie ein Zweig, der gleich bricht.«
      
    Unser
    Die Männer erklären mir: Sie sind Juden.
    Aus Toledo, wo die Juden damals vor Jahren
    nicht alle vertrieben wurden.
    »Es sind sowieso noch viele Juden in al-Andalus«,
    sagt mir einer. Er runzelt die Stirn. »Warum auch nicht?
    Wir sind hier seit der Römerzeit.
    Tausend lange Jahre.«
    Ich ringe um meine Stimme. »Ich suche keinen Streit, Freund.
    Wir alle hier sind ehrenwerte Wanderer.«
    Er nickt. Meine Antwort war gut.
    »Wir sind unterwegs nach Málaga.
    Der König belagert
    die Muslime, die dort regieren.
    Wir, die Juden des Reiches, müssen
    die Waffen bringen.«
    Werden sie kämpfen?
    Sie werden nicht. Sie unterstützen keine der beiden Seiten.
    Dann sind sie frei? (Ich muss sie fragen.)
    »So frei«, sagt ein Mann, »wie man sein kann,
    wenn ein König und eine Königin einen unser nennt.«
      
    Der Gefangene
    »Genug Fragen für uns, kleiner Denker. Du bist hier das Rätsel.
    Lass mal sehen. Ein entlaufener Sklave? Dein Herr ist ein Schinder?
    Du hast mit der Dame des Hauses geschlafen?
    Oder mit der Tochter? Oder mit beiden?«
    Ich lächle. Ich bin zu schwach für Neckereien.
    Aber meine Augen wandern unwillkürlich
    zu einem Mann in ihrer Mitte.
    Er ist an ein Rad
    des Wagens angekettet.
    »Oh, der?
    Er ist Christ. Du würdest ihn
    für glücklich halten, oder? Und doch
    ist er ein sehr unglücklicher Christ.
    Er wird von ihnen gesucht. Von der Inquisition.
    Daher hat man uns gebeten, ihn mitzunehmen.
    Kannst du erraten, was er getan hat?«
    Ich habe keine Ahnung, aber das
    scheint auch nicht nötig.
    Der Mann spricht weiter, hält kaum inne,
    um Atem zu schöpfen.
    »Der Arme hat versucht, zu unserem Glauben zu

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