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Der Schritt hinueber - Roman

Der Schritt hinueber - Roman

Titel: Der Schritt hinueber - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Tumler
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unsichtbar, und ich brauche dich gar nicht zu suchen, ich lebe mit dir – und das ist doch das Einzige, was ich weiß. Und wenn du mich einmal begrüßen willst, als weißes Kleid oder als Flämmchen, was dich gewiß viel Anstrengung kostet, dann sollte man es nicht benutzen, um mir aufzulauern und mich einzufangen. Ich bin unvorsichtig, ich nehme mich nicht in acht, ich wäre ja wohl noch imstande, mich in acht zu nehmen, wenn ich nicht immer auf dich achten müßte. Es ist so wichtig für mich, – wir sind schon ganz nahe dabei, daß du mir sagst, was die Wahrheit ist, – aber das gönnt man uns nicht. Man nützt es aus, daß ich gebunden bin, auf dich zu hören. Oh! Aber man soll mich kennenlernen!
    Er machte eine Bewegung, und Spasso hatte es gesehen, – das lange törichte Erstaunen in Koljas verwildertem Gesicht, die Abwesenheit und nun diese Bewegung, mit der Kolja die Pistole ergriff. Spasso sah den mattblinkenden Lauf, und in diesem Augenblick wußte er, was geschehen konnte. Er hatte es gewagt, für den Kapitän einzuspringen, er hatte sich emporgeworfen dazu, – etwas zu leisten, das den Kapitän zur Besinnung brachte! und nun wußte er, was das hieß: einspringen und etwas leisten. Er zitterte, aber er nahm sich zusammen, er sagte:
    Ich weiß, Sie haben eine Pistole, Kolja. Aber ich habe auch eine. Nicht wie der andere. Der hatte keine Waffe.
    Welcher andere? fragte Kolja.
    Spasso sagte: Sie wissen doch, was ich meine, – wie war das mit dem anderen? Er nahm seine Pistole vom Tisch.
    Seine Hand zitterte, und nun klang seine Stimme hoch wie eine Kinderstimme: – ich will Sie doch nur fragen, Kolja, wie das war mit dem anderen …
    Bemelman droben in der Schlafkammer wälzte sich neben seinem Weibe herum. Er hörte die Schüsse noch im Schlaf. Er setzte sich auf. Nun hörte er den kläglichen Wehschrei und den weichen Fall des Körpers.
    Es ist was passiert, flüsterte er.
    Er schlich zur Falltür und öffnete sie vorsichtig und spähte hinunter. Aber kaum hatte er die Füße um ein paar Stufen in die Tiefe gesetzt, fielen auch gegen ihn Schüsse, und er konnte von Glück sagen, daß er nichts abbekam. Von der Treppe splitterte Holz, und Bemelman wußte gar nicht, wie er so schnell wieder auf die Beine kam, er schlug die Falltür zu und fiel halb ohnmächtig auf den Fußboden oben, und drunten dauerte das wilde Schießen noch immer fort. Kommt doch heraus! schrie Kolja, kommt doch heraus!

Achtes Kapitel
Unter dem schwarzen Himmel
    Vom Paradies her, wo immer erleuchteter Tag war, hörten sie die Stimmen: ein Waldfeerauschen hie und da, das feine Singen der Nadeln, die Schritte der Posten, sie knirschten auf dem Kies, bei jedem Schritt klirrte leise das Eisenzeug: Feldflasche, Spaten und Seitengewehr, in kurzem Nachschlag gegeneinander.
    Die Lehrerin lag nackt auf dem Sofa, ein kleiner Baum aus blauen Adern zeichnete sich auf ihrer Schulter ab. Sie streckte den Arm aus, sie hatte Kinderarme, und auch ihre Hände sahen winzig aus, wie eingeschrumpft, als bestünden sie nur aus Haut, Adern und Knorpeln. Sie sagte:
    Ist noch was zu trinken da?
    Der Kapitän sagte: Du betrinkst dich wieder, jetzt ist Morgen, und du betrinkst dich schon wieder!
    Hast du sie eigentlich lieber gehabt als mich? fragte sie.
    Ihre Hände, nur ein Gerüst aus Knorpeln, wie graue Hühnerfüße, lagen mit den Fingern um die Flasche gekrallt.
    Ich dachte, du hättest sie doch lieb gehabt?
    Der Kapitän sagte: Himmel, da trinkst du ja schon wieder! – Er nahm ihr die Flasche weg. Nicht mehr trinken!
    Sie sagte: Wen, glaubst du, hat sie eigentlich lieb gehabt? Ihren Mann sicher nicht. Obwohl man das auch nicht weiß, er war ja weg. Aber ihren Freund – das war doch ihr Geliebter! Oder Kolja, was hat sie mit Kolja gemacht, was glaubst du? Oder dich, was hat sie mit dir gemacht?
    Der Kapitän sah Demut und Gier auf ihrem Mund, aus dem immer dieselben Fragen kamen.
    Hast du sie gerufen, oder ist sie von selber gekommen? Mir hast du ja Spasso geschickt. Und gestern war es nur ein Posten. Gut genug für mich. Aber du hast mich holen lassen, und das war doch etwas für sie: nicht nur suchen, sondern aufgesucht werden.
    Ihre Augen blickten heiß und trocken.
    Das wenigstens mußt du zugeben, wenn du mich auch jetzt so ansiehst, als wäre ich gar nicht hier. Aber das mußt du zugeben! – ich bin nicht von selber gekommen. Du hast geschickt nach mir!
    Im Zimmer war Halblicht, es war nicht wie draußen der erleuchtete Tag, den der

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