Der Schritt hinueber - Roman
lächelnden und doch bannenden Blick, und sprach sie an. Und nun wunderte sie sich freilich über den Namen, den sie hörte, und noch mehr über den Vornamen, als sie sich bekanntmachte mit diesem Wesen. Das Fräulein hieß Pallas-Ledwinka und hieß mit Vornamen Fini. Oder war das nur ihr Name als Schwester? Darüber nachzudenken war Susanna schon nicht mehr im Stande. Sie hörte „Fini“; das gab es also auch hier, welch ein Trost, – es wölkte sich ihr mit einem Mal unendliche Sympathie vors Auge, als wäre sie zuhause. Sie wußte nicht, wie es geschah: der Schatten hinter dem Milchglas zerfloß sogleich, und sie sah nur das andere Bild, die heitere Pallas-Ledwinka, die ihr Lächeln vertraulich zu ihr herüberschickte. Da schwebte sie wie in einem Glückstraum auf diese Fini zu. Sie spürte im Augenblick Lust und die Drohung von Heiterkeit, – Lust und Spannung!
Gleichwohl war doch Jorhan durch die Tür getreten, und er erblickte das weiße Kleid und sah seine Frau. Sie aber sah nur das junge Fräulein Pallas-Ledwinka. Jorhan redete zu ihr:
Der Gefreite hat mich angerufen, es wartet jemand. Ich dachte sofort, daß du es bist!
Jorhan sah einen ängstlichen Schatten in Susannas Gesicht und dachte: es regt sie alles so auf. Sie erblickte ihn nur wie durch die kreisrunde Öffnung eines umgedrehten Glases, weit fortgerückt. Aber so künstlich gemacht es ihr vorkam, die Umrisse waren deutlich: seine Hand, die sich ihr entgegenstreckte und sie anfaßte, winzig und fern – sie war trotzdem zu spüren; seine Augen, die sie auf solche Entfernung wohl gar nicht sehen konnten – aber sein Blick betastete sie von Kopf bis Fuß; seine Gebärden, sprachlos aufgequollene Begrüßung, Worte, die sie nicht hören konnte, – dann endlich verschleierte sich ihr das Bild selber wieder ganz und gar, eine wohltätige Schwäche ging ihr vor die Augen, nun konnte sie es nicht mehr sehen und festhalten.
Nein, sie hielt es nicht aus, ihn zu sehen. Sie meinte plötzlich: alles, alles war umsonst, sie war umsonst herübergegangen. Ach, sie war gekommen, viel mehr erschöpft, als sie es sich hatte vorstellen können!
Sie konnte ihn jetzt nicht sehen; sie kannte ihn gar nicht, er war ihr fremd wie jemand, den sie nie gesehen hatte!
Und als sie eben dies dachte, war er auch wieder fort, und nur dies Fräulein Pallas-Ledwinka stand da, und ihr konnte sie sagen, wie erschöpft sie war. Keineswegs habe sie ein Auto erwischt, wie sie es sich drüben immer eingebildet hatte, – sie konnte sogar lachen über diese sonderbare Hoffnung. Es fuhren in dieser anderen Hälfte der Welt nicht so viele Autos, wie sie geglaubt hatte, wie man sich drüben vorstellte, – sie hatte die ganze Strecke zu Fuß laufen müssen!
Und das Fräulein neigte sich vor und sagte etwas. Susanna verstand es nicht sofort, aber eine Weile später verstand sie es. Ach du liebe Güte, hatte die Stimme gesagt, und Fräulein Pallas-Ledwinka leuchtete mit ihrer Heiterkeit die Erschöpfte an.
Susanna dachte: was für ein freundliches Wesen hier, wo ich eben noch so geängstigt war, es erfrischt mich, und es bleibt bei mir, noch dazu heißt es Fini! Der Name vor allem machte sie zutraulich, ja überschwänglich; und wenn nun gar ein solches Wesen von Heiterkeit und Lust strahlte, konnte man sich über Konventionen hinwegsetzen und sich sogleich geben, als wäre man befreundet!
Jorhan bemerkte nichts Auffälliges. Er sah die kindliche, zutunliche Demut in Susannas Gesicht, ein Lächeln, das für Schonung dankte. Es rührte ihn. Aber Susanna gab es nicht ihm, sondern der Pallas-Ledwinka, und empfing nun auch von ihr ein Lächeln und hörte sie vertraulich sagen: Ach, du Ärmste! Wieder dauerte es eine Weile, bis die Worte richtig ankamen. Sie wunderte sich, warum das so war bei diesem Wesen. Sie sah den Mund sprechen, aber es verging eine Zeit, bis die Worte sie erreichten, und dann mußte sie sich alle erst entziffern im Ohr. So auch jetzt: als sie etwas verstand, war es längst nicht mehr gesprochen. Aber nun fühlte sie, wie ihr die Fremde mit dünnen zarten Fingern die Wangen und das Haar streichelte, dazu sagte sie wieder einen Satz, und Susanna wartete nun schon geduldig, bis sie ihn verstand. Soviel Staub, sagte die Stimme, du bist ja ganz voller Staub, willst du dich nicht waschen, ich richte dir ein Bad, wir haben ja alles hier!
Susanna atmete auf. Je mehr sich dieses Fräulein Pallas-Ledwinka ihrer annahm, um so weniger brauchte sie zu befürchten, daß Jorhan
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