Der Schritt hinueber - Roman
mit ihm! Sie war nun beruhigt und war froh über den Takt dieser jungen Frau, einer Art Fini aus der „Neuen Welt“. War sie nun eine Fini oder war sie eine fremde Person? Dieser Doppelname, – woher mochte er kommen? Pallas schrieb man mit griechischen Buchstaben, Ledwinka wohl mit kyrillischen, das war beides ähnlich. Alles war ähnlich, und doch nicht dasselbe. Eines war sicher: mit Jorhan steckte Fräulein Pallas-Ledwinka nicht unter einer Decke. Und am besten, man tat bei ihr wie bei der alten Fini: obwohl man kein Geheimnis vor ihr hatte, zeigte man nicht, daß man sich durchschaut fühlte. Susanna fragte:
Und ich kann einfach so bleiben? – Sie war noch einmal sehr zufrieden, als sie zur Antwort erhielt:
Ach, wie du magst! Aber ich würde dir doch raten, du ruhst dich vorerst aus, und nimmst ein Bad. Das hast du sicher lange nicht gehabt. Komm!
Fini Ledwinka öffnete die Tür zum Badezimmer. Susanna folgte. Sie dachte: dagegen will ich mich nicht wehren, wenn nur er nicht dabei ist, das wäre mir jetzt schrecklich! Aber so – die Fini weiß von drüben, daß ich für Baden immer zu haben bin, und sie strahlt mich so an, sie liest es mir von den Augen ab. Fräulein Pallas-Ledwinka schloß die Tür.
Ach, wie müde du bist, sagte sie, es wird dir gut tun.
Sie öffnete die Hähne. Sie trat auf Susanna zu und machte ihr das Kleid auf. Ach, das geht einfach! Sie hatte entdeckt, daß das weiße Kleid einfach von oben bis unten aufzuknöpfen war. Man konnte es ausziehen wie eine Bluse.
Susanna erinnerte sich, wie sie das Kleid in der Stube der Fini angezogen hatte. Sie sagte: Ich habe keine Strümpfe an, – und, weißt du, drüben, meine Fini, die wollte, daß ich Strümpfe nehme; aber ich habe gesagt, heutzutage trägt niemand Strümpfe!
Fräulein Pallas-Ledwinka hob ihr den Rock auf und raffte ihn übers Knie und hielt ihn dort fest. Dabei lächelte sie.
Und dieses Lächeln blieb in ihren Augen; mit der freien Hand streifte sie Susanna das Hemd ab, – wie hübsch, sagte sie, ich meine, wie hübsch du bist!
Susanna spürte die Dämpfe, eine Schwäche des Herzens, dann Wohlsein. Sie dachte an Fini drüben, die manchmal ähnlich gesprochen hatte. Alles war ähnlich, und hier war es nun nicht Jorhan, sondern die schöne Pallas-Ledwinka, die auf sie zuging und sie streichelte und umarmte. Sie sagte dabei eine Menge Worte, wie Flocken schwebten sie von ihrem Mund. Susanna sah sie langsam an sich herniederschweben und fing sie auf, und erst wenn sich eine solche Flocke auf ihre Haut legte, verstand sie auch das eigentliche Wort. Die Flocke zerschmolz, dann hatte sie das Wort an der Haut, überall, an vielen Stellen, eine fließende Rede:
Obwohl sich eine Frau gar nicht so anstrengen soll, um zu gefallen! Wenn ich auf die Männer hier im Hause sehe, für die ist eine wie die andere. Aber mit dir kann sich keine vergleichen! Und das meinte ich: eine wie die andere. Aber wenn es echt ist, dann ist es wohl anders. Aber dafür muß man schon etwas Besonderes sein, – und ich weiß jetzt, du bist so besonders …
Das hat mir Fini auch gesagt!
Siehst du, wenn sogar eine alte Frau so spricht! Nein, ich glaube, ein Mann, der sich an dich erinnert, will eine andere gar nicht sehen, und er sieht sie auch wirklich nicht. Aber ich weiß nicht: wenn du nun so bist, mußt du dich da nicht fürchten? Nicht vor den Männern, so wie die sind, aber vor dir selber?
Susanna war ein wenig geniert. Zwar hatte Fini ähnlich gesprochen, aber die hier rührte sie auch immerzu an. Sie wollte ins Wasser steigen, aber die fremde Hand hielt sie zurück.
Laß mich erst probieren! Ja, es geht! Die Hand legte sich Susannas Arm um den Hals und half ihr in die Wanne. Dann nahm sie Seife und Lappen, und während sie Susanna ringsum abwusch, redete die Stimme weiter:
Was ich sagen wollte: das gibt es, auch bei andern Leuten! Bei uns ist ein Sanitäter im Magazin, der hat sich aus uns allen hier gar nichts gemacht. Er hat immer gesagt: Ach, Kinder, was soll ich jetzt mit euch, ihr wißt doch, – und siehst du, er hat an eine bestimmte Person gedacht, und deswegen konnte er nicht! Dabei ist er nicht einmal glücklich gewesen mit dieser bestimmten Person, – aber was macht das schon aus! Und bei dir könnte ich es mir so denken. Als du da vorhin hereinkamst, und jetzt sehe ich es ja deutlich – was hast du für eine hübsche Figur und was für hübsche weiche Haut –, es ist ja albern; aber, wie man sagt, eine Haut wie Pfirsich; du
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