Der schüchterne Junggeselle
tun?«
»Im Vergleich zu dem, was Sie für mich getan haben, ist es nur zu wenig.«
»Ich danke Ihnen, ich danke Ihnen«, sagte Hamilton Beamish. »Sowie ich Sie sah, wußte ich, daß Sie eine Frau sind, wie man unter Tausenden nur eine findet. Könnten Sie – könnten Sie vielleicht nach Ihrer Rückkunft einmal mit mir lunchen?«
»Mit dem größten Vergnügen.«
»Ich werde meine Telefonnummer da lassen.«
»Danke. Grüßen Sie George von mir. Ich würde ihn gern sehen, wenn ich wieder zurück bin.«
»Das sollen Sie. Auf Wiedersehen.«
»Auf Wiedersehen, Mr. Beamish.«
»Hamilton?«
Sie setzte eine zweifelnde Miene auf.
»Der Name Hamilton gefällt mir nicht recht. Er ist ein bißchen steif.«
Hamilton Beamish hatte einen kurzen Kampf mit sich zu bestehen.
»Ich heiße auch James. Und früher einmal nannten mich viele Leute Jimmy.« Er schauderte ein wenig, aber er wiederholte das Wort tapfer. »Jimmy.«
»Nehmen Sie mich unter diese Leute auf«, sagte das Mädchen. »Das gefällt mir viel besser. Auf Wiedersehen, Jimmy.«
»Auf Wiedersehen«, sagte Hamilton Beamish.
Dies war der erste Abschnitt der Liebesgeschichte eines großen Mannes. Einige Augenblicke später schritt Hamilton Beamish in einer Art Tanzrhythmus die Straße entlang. In der Nähe des Washington Square schenkte er einem kleinen Jungen einen Dollar und fragte ihn, ob er einmal Präsident werden wolle.
5
»George«, sagte Hamilton Beamish, »ich habe heute jemand gesehen, der dich in East Gilead gekannt hat. Ein Mädchen.«
»Wie heißt sie? Läßt Molly mir etwas sagen?«
»Madame Eulalie.«
»Ich kann mich an niemand erinnern, der so heißt. Läßt Molly mir etwas sagen?«
»Sie ist schlank, voller Anmut und hat zärtliche graue Augen, gleich Nebeln, die über einem Weiher im Feenland schweben.«
»Ich kann mich ganz bestimmt an keinen Menschen in East Gilead erinnern, der so ausgesehen hat. Läßt Molly mir etwas sagen?«
»Nein.«
»Nein?« George ließ sich verzweifelt in einen Sessel fallen. »Dann ist es aus!«
»Doch, doch«, sagte Hamilton Beamish. »Ich habe es nur vergessen. Sie läßt dir sagen, wenn du morgen nachmittag im Central Park in der Nähe des Zoo sein solltest, könntest du ihr begegnen.«
»Das ist der verrückteste, glücklichste Tag in diesem ganzen schönen Jahr«, sagte George Finch.
FÜNFTES KAPITEL
1
Madame Eulalie blickte in den Kristall, den sie in ihren anmutigen Händen hielt. Das Gesicht, das Hamilton Beamish vermocht hatte, die Grundsätze seines ganzen Lebens über Bord zu werfen, hatte einen konzentrierten und ernsten Ausdruck.
»Die Schleier beginnen sich zu heben«, murmelte sie.
»Ah!« sagte Mrs. Waddington. Dies war das Ziel ihrer Hoffnung gewesen.
»Es ist jemand, der Ihnen sehr nahesteht …«
»Doch nicht mein Mann?« fragte Mrs. Waddington enttäuscht. Als sparsame Frau freute sie sich nicht bei dem Gedanken, zehn Dollar für Visionen über Sigsbee H. zu bezahlen.
»Beginnt der Name Ihres Mannes mit M?«
»Nein«, antwortete Mrs. Waddington erleichtert.
»Zwischen den Schleiern scheint sich der Buchstabe M zu bilden.«
»Ich habe eine Stieftochter Molly.«
»Ist sie groß und brünett?«
»Nein. Klein und blond.«
»Dann ist sie es!« sagte Madame Eulalie. »Ich sehe sie im Hochzeitskleid ein Kirchenschiff entlanggehen. Ihre Hand ruht auf dem Arm eines brünetten Mannes mit Monokel. Kennen Sie jemand dieses Aussehens?«
»Lord Hunstanton!«
»Ich glaube den Buchstaben H zu fühlen.«
»Lord Hunstanton ist ein guter Freund von mir, der Molly sehr schätzt. Sehen Sie wirklich, daß sie ihn heiratet?«
»Ich sehe sie durch die Kirche gehen.«
»Das ist dasselbe.«
»Nein! Denn sie erreicht nie den Altar.«
»Warum nicht?« fragte Mrs. Waddington voll gerechter Empörung.
»Aus der Menge springt eine Frau vor. Sie versperrt den Weg. Sie scheint rasch und in großer Gemütsbewegung zu sprechen. Und der Mann mit dem Einglas fährt zurück, sein Gesicht zuckt fürchterlich. Er hat eine Schurkenmiene. Er hebt eine Hand. Er schlägt nach dem Weib. Sie taumelt zurück. Sie holt einen Revolver heraus und dann …«
»Ja?« rief Mrs. Waddington. »Ja?«
»Die Vision verblaßt«, sagte Madame Eulalie und erhob sich rasch mit der Miene eines Menschen, der für zehn Dollar gute Arbeit geleistet hat.
»Aber das kann ja nicht sein! Es ist unglaublich.«
»Der Kristall lügt nie.«
»Aber Lord Hunstanton ist ein wunderbarer Mann.«
»Die Frau mit dem Revolver
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