Der schüchterne Junggeselle
Diesen schwachen Punkt in seiner Verteidigungsstellung hatte Sigsbee übersehen. »Ja, allerdings.«
»Klingle.«
Sigsbee H. klingelte.
»Ferris«, sagte Mrs. Waddington, »bitten Sie Miss Molly herzukommen.«
»Sehr wohl, Madame.«
Molly kam heiter strahlend herein.
»Bitte, erkläre mir augenblicklich«, sagte Mrs. Waddington, »was der ganze Unsinn bedeuten soll, den ich über dich und …«, sie würgte, »… und Mr. Finch höre.«
»Nur einer Wette wegen«, fragte Sigsbee H., »heißt er Finch oder Pinch?«
»Finch natürlich.«
»Ich habe ein schlechtes Namengedächtnis«, sagte Sigsbee. »Ich hatte im College einen Kollegen namens Siebenmark, und meinst du, ich könnte mir aus dem Kopf schlagen, daß er Dreyer heißt? Nicht zu machen! Ich …«
»Sigsbee!«
»Hallo?«
»Sei still.« Mrs. Waddington konzentrierte sich wieder auf Molly. »Dein Vater sagt, du hättest ihm irgendeine lächerliche Geschichte erzählt, daß du …«
»Daß ich mit George verlobt bin?« sagte Molly. »Ja, das ist ganz richtig. Ich bin mit ihm verlobt. Durch einen ganz sonderbaren Zufall trafen wir uns heute nachmittag im Central Park in der Nähe des Zoo …«
»Dorthin«, sagte Sigsbee H., »wollte ich immer schon gehen, und ich bin noch nie hingekommen.«
»Sigsbee!«
»Schon gut, schon gut! Ich wollte nur sagen …«
»Wir waren natürlich beide kolossal überrascht«, erzählte Molly, »und ich sagte: ›Nein, daß wir uns hier sehen!‹ und er sagte …«
»Ich lege gar keinen Wert darauf, zu hören, was Mr. Finch sagte.«
»Na schön, jedenfalls gingen wir eine Weile spazieren und sahen uns die Tiere an, und plötzlich fragte er mich, ob ich ihn heiraten wolle, vor dem Käfig des sibirischen Jaks.«
»Nein, ausgeschlossen!« rief Sigsbee H. plötzlich mit erstaunlicher Festigkeit. »Wenn du heiratest, wirst du ordentlich in der St.-Thomas-Kirche heiraten, wie jedes anständige Mädchen.«
»Nein, ich wollte nur sagen, daß er mich vor dem Käfig des sibirischen Jaks gefragt hat.«
»Oh, ah!« sagte Sigsbee Horatio.
Etwas Verträumtes stahl sich in Mollys Augen. Ihre Lippen verzogen sich zu einem zärtlichen Lächeln, als erlebte sie noch einmal jenen wunderbarsten Augenblick im Leben eines Mädchens, da der geliebte Mann sie auffordert, ihm ins Paradies zu folgen.
»Ihr hättet seine Ohren sehen sollen!« sagte sie. »Sie waren ganz rot.«
»Was du nicht sagst«, kicherte Sigsbee H.
»Purpurrot! Und als er sprechen wollte, gurgelte er.«
»Der arme Pinsel!«
Molly fuhr mit flammenden Augen auf ihren Vater los.
»Wie kannst du es wagen, meinen lieben, süßen Georgie einen Pinsel zu nennen?«
»Wie kannst du es wagen, diesen Pinsel deinen lieben, süßen Georgie zu nennen?« fragte Mrs. Waddington.
»Weil er mein lieber, süßer Georgie ist. Ich liebe ihn von ganzem Herzen und werde ihn heiraten.«
»Gar nichts wirst du tun!« Mrs. Waddington zitterte vor übergroßer Empörung. »Bildest du dir vielleicht ein, ich werde zugeben, daß du dein Leben ruinierst und einen elenden Mitgiftjäger heiratest?«
»Er ist kein elender Mitgiftjäger.«
»Er ist ein bargeldloser Künstler.«
»Also, ich bin überzeugt davon, daß er schrecklich tüchtig ist und seine Bilder für viel Geld verkaufen kann.«
»Ha!«
»Außerdem«, sagte Molly trotzig, »wenn ich heirate, bekomme ich das Perlenkollier, das Vater der Mutter geschenkt hat. Das kann ich verkaufen, und dann können wir jahrelang davon leben.«
Mrs. Waddington wollte schon antworten, als sie von einem plötzlichen Schmerzensschrei, der dem Mund ihres Gatten entfuhr, davon abgehalten wurde.
»Was ist denn, Sigsbee?« fragte sie verärgert.
Sigsbee H. schien mit großer Erregung zu kämpfen. Er starrte seine Tochter mit vorquellenden Augen an.
»Hast du gesagt, daß du das Kollier verkaufen willst?« stammelte er.
»Ach, sei doch still, Sigsbee!« sagte Mrs. Waddington. »Was liegt denn daran, ob sie das Kollier verkauft oder nicht? Das hat nichts mit der Sache zu tun. Es handelt sich darum, daß dieses irregeleitete Mädchen vorhat, sich wegzuwerfen an einen elenden, klecksenden Maler … während sie, wenn sie wollte, einen prachtvollen Mann mit einem schönen, alten, englischen Titel heiraten könnte, der …«
Mrs. Waddington unterbrach sich. Die Szene in Madame Eulalies Zimmer war ihr ins Gedächtnis gekommen.
Molly benutzte dieses unerwartete Schweigen zu einem Gegenangriff. »Lord Hunstanton würde ich nicht heiraten, und
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