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Der schüchterne Junggeselle

Der schüchterne Junggeselle

Titel: Der schüchterne Junggeselle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. G. Wodehouse
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daß Sie nicht zu spät kommen. Ich habe Ihnen etwas zu zeigen.«
    »Das ist schön. Moralische Verworfenheit im letzten Stadium, nicht?«
    »Vor einigen Augenblicken«, sagte Mrs. Waddington, Lord Hunstanton zum Dach führend, »sah ich eine junge Frauensperson in die Schlafveranda gehen, die zu George Finchs Wohnung zu gehören scheint, und unmittelbar darauf hörte ich, daß sie mit George Finch sprach.«
    »Verrückt«, sagte Seine Lordschaft, mißbilligend den Kopf schüttelnd. »Sehr verrückt.«
    »Ich wollte meinen Hausmeister Ferris als Zeugen holen, aber Sie sind ja gerade noch zur rechten Zeit zurückgekommen. Obwohl ich nicht begreifen kann, warum Sie nicht schon vor einer halben Stunde gekommen sind.«
    »Aber ich sagte Ihnen doch schon. Ich begann mit einem Löffel Julienne …«
    Sie kamen auf das Dach, und Mrs. Waddington schlich, warnend einen Zeigefinger an den Mund legend, auf den Fußspitzen zur Schlafveranda.
    »Was jetzt?« fragte Seine Lordschaft, als sie an der Tür waren.
    Mrs. Waddington pochte.
    »George Finch!«
    Tiefes Schweigen.
    »George Finch!« wiederholte Seine Lordschaft.
    »Finch!« rief Mrs. Waddington.
    »George!« schrie Lord Hunstanton.
    Mrs. Waddington riß die Tür auf. Es war ganz finster. Sie machte Licht. Das Zimmer war leer.
    »Nanu!« sagte Mrs. Waddington.
    »Vielleicht sind sie unter dem Bett.«
    »Schauen Sie nach.«
    »Aber wenn er mich beißt.«
    Mrs. Waddington fuhr mit einem ärgerlichen Ausruf auf ihn los und blieb erstarrt stehen.
    Hinter Seiner Lordschaft stand ein langer, hagerer Polizist; Mrs. Waddington hatte ihn zwar ein einziges Mal in ihrem Leben gesehen, aber seine Züge hatten sich ihrem Gedächtnis fest eingeprägt.
    »Was ist?« fragte Lord Hunstanton. Er drehte sich um. »Oh, was ist das? Die Polizei!«
    »Ah! Habe ich Sie?« rief Wachtmeister Garroway. Die Frage war offenbar rhetorisch gemeint, denn er wartete keine Antwort ab. »Sie sind verhaftet!«
    Auf Lord Hunstanton machte das Ganze einen sehr absonderlichen Eindruck.
    »Hören Sie, passen Sie mal auf, wissen Sie, aber ich muß doch sagen …«
    »Sie auch«, sagte Wachtmeister Garroway. »Sie scheinen dazu zu gehören. Sie sind beide verhaftet. Und wenn Sie auch nur das geringste tun«, schloß der Konstabler, seinen Gummiknüppel schwingend, »kriegen Sie das da über den Schädel, verstanden?« Es folgte eine jener Gesprächspausen, durch die sich Gespräche zwischen einigermaßen fremden Leuten so häufig auszeichnen. Wachtmeister Garroway schien sein Teil gesagt zu haben. Mrs. Waddington hatte keine Bemerkungen zu machen. Und wenn Lord Hunstanton auch gern ein oder zwei Fragen gestellt hätte, der Anblick des geschwungenen Gummiknüppels hatte ihm alle Lust dazu vertrieben.
    Und dann erklang unten die Stimme eines Mannes, der rief: »Beamish! He, Beamish!« Es war die Stimme Sigsbee H. Waddingtons.
2
    Nichts ärgert den Leser einer Chronik wie diese mehr, als das unerklärte plötzliche Auftauchen eines Helden an einem bestimmten Ort. Ein gewissenhafter Chronist hat also auch die Schritte einer so unbedeutenden Person wie Sigsbee H. Waddingtons zu schildern, und der Schreiber dieses muß sich die Zeit nicht reuen lassen.
    Sigsbee H. war, wie man sich vielleicht erinnern wird, nach New York gekommen, um einen Polizisten namens Gallagher zu suchen. New York hatte sich auch nicht karg gezeigt, da aber das Ziel seiner Wünsche in Wirklichkeit kein Gallagher, sondern ein Garroway war, hatte er den Mann, dem er seine Aktien der »Schöneren und Besseren Filmgesellschaft« verkauft hatte, nicht gefunden.
    Viele Männer hätten in einer derartigen Lage den Kampf aufgegeben. Sigsbee H. Waddington tat es. Der letzte Gallagher hatte in der Nähe der Beleecker Street Dienst getan, und Mr. Waddington ging zum Washington Square und wankte zu einer Bank.
    Als er einige Zeit gerastet hatte, kam ihm ein Gedanke, der ihm früher am Tag viel Mühe erspart hätte. Er besann sich plötzlich darauf, daß er den gesuchten Polizisten in der Wohnung Hamilton Beamishs gesehen hatte; er dachte logisch weiter und kam zu dem Schluß, daß Hamilton Beamish der einzige Mensch sei, durch den er Näheres über den Gesuchten erfahren könne.
    Mit neuen Kräften sprang er auf und eilte auf das Sheridan-Gebäude zu. Daß der Fahrstuhl nicht funktionierte, störte ihn in seiner neuen Begeisterung gar nicht; er kletterte die Stufen zu Hamilton Beamishs Tür hinauf wie ein Eichhörnchen.
    »Beamish!« rief er. »He,

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