Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Schuldige: Roman (German Edition)

Der Schuldige: Roman (German Edition)

Titel: Der Schuldige: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Ballantyne
Vom Netzwerk:
Mann ihm etwas nachrief. Auf dem Weg nach unten begann er zu weinen, rutschte aus und fiel einige Stufen hinunter. Er schrammte sich die Arme, spürte es aber eigentlich nicht. Er rappelte sich hoch und rannte zur Tür hinaus und durch das Gras, wo er wieder über den Verkehrskegel stolperte. Seine Füße klatschten auf das Trottoir. Er wusste nicht, wohin er rannte, aber er rannte so schnell er konnte. Sein Ranzen musste irgendwo runtergefallen sein, im Schrank oder auf der Treppe, und er fühlte sich ohne dessen schiefes Gewicht leicht und schnell. Er rannte schnurstracks die Ponteland Road entlang.
    Es war dunkel, und er saß an der Bordsteinkante der West Road, als eine Polizistin auf ihn zu trat. Er sah sie nicht an, aber als sie ihn aufforderte mitzukommen, tat er es, weil er vollkommen erschöpft war. Auf dem Revier riefen sie seine Sozialarbeiterin an, und sie fuhr ihn zu Minnie zurück.
    Es war nach zehn, als sie in Brampton ankamen. Das Dorf erschien stockdunkel, das Grün der Felder schwarz gegen den Nachthimmel. Daniels Lider fühlten sich dick an, und er versuchte, die Augen offen zu halten, während er aus dem Wagenfenster sah. Tricia redete mit ihm übers Weglaufen und die Erziehungsanstalt und dass er dahin käme, wenn er nicht an Ort und Stelle bliebe. Er drehte sich nicht zu ihr um, während sie sprach. Der Geruch ihres Parfüms schmerzte ihn in seiner Nase und in seinem Kopf.
    In ihre dicke Strickjacke gehüllt stand Minnie vor ihrer Haustür. Blitz rannte auf Daniel zu, als er aus dem Wagen stieg. Minnie streckte die Arme nach ihm aus, aber er entwand sich ihr und ging ins Haus. Der Hund folgte ihm. Daniel setzte sich auf den Fuß der Treppe und wartete darauf, dass die Frauen hereinkämen, wobei er mit den Ohren des Hundes spielte, die sich wie Samt anfühlten. Blitz legte sich auf den Rücken, damit Daniel ihm den Bauch kraulen konnte, und obwohl er todmüde war, hockte er sich auf die Knie und kraulte ihn. Das weiße Fell am Bauch des Hundes war schmutzig vom Hof.
    Er hörte Minnie und Tricia vor der Tür flüstern. Schule. Mutter. Polizei. Feuer. Entscheidung. Obwohl er sich anstrengte, waren dies die einzigen Worte, die er deutlich vernahm. Er hatte die Polizei und seine Sozialarbeiterin nach seiner Mutter gefragt. Die Polizei machte sich nicht die Mühe, etwas herauszufinden, aber Tricia sagte ihm im Wagen, sie würde nachfragen, was mit ihr passiert sei, und es Minnie erzählen, wenn sie etwas erfuhr.
    »Warum wollen Sie es Minnie erzählen, warum nicht einfach mir?«, schrie Daniel sie an.
    »Wenn du dich nicht anständig benimmst, kommst du nächstes Jahr in eine Jugendarrestanstalt, und da bleibst du, bis du achtzehn bist.«
    Minnie schloss die Tür und sah ihn an, die Hände auf die Hüften gestemmt.
    »Was ist?«
    »Du siehst aus, als hättest du einen schweren Tag gehabt. Ich lass dir mal ein Bad ein.«
    Er dachte, sie würde noch etwas sagen wollen. Er hatte sich auf barsche Worte eingestellt. Er ging ins Bad und setzte sich auf den Toilettensitz, während sie Schaum im Badewasser erzeugte. Der Spiegel beschlug, und die Luft roch sauber.
    Sie griff zu einem Waschlappen und machte ihn in dem heißen Badewasser nass.
    »Deine Nase sieht ziemlich übel aus. Ich werde dir etwas von dem Blut abwaschen, ehe du in die Wanne steigst. Bisschen spät, aber wir werden etwas Eis drauftun. Wir wollen doch nicht, dass du eine breitgeschlagene Boxernase hast, oder? Kein so gut aussehender Junge wie du; wäre nicht richtig.«
    Er ließ sie seine Nase versorgen. Sie war sanft, und der Waschlappen war warm. Sie rubbelte das angetrocknete Blut weg und wischte rund um seine Nase.
    »Tut es weh, Liebling?«
    »Eigentlich nicht.«
    »Du bist ein tapferes Kerlchen.«
    Er roch den Gin in ihrem Atem, als sie sich dicht über ihn beugte.
    Als sie fertig war, strich sie ihm durchs Haar und legte ihm die Hand auf die Wange.
    »Möchtest du drüber reden?«
    Er zuckte die Achseln.
    »Du bist deine Mutter suchen gegangen?«
    »Sie war nicht da.« Seine Stimme stockte.
    Sie zog ihn sanft an sich, und er fühlte die raue Wolle ihrer Strickjacke an seiner Wange. Er fing wieder an zu weinen, aber er wusste nicht, warum.
    »Na, na«, sagte sie und streichelte ihm den Rücken. »Lass es einfach raus. Tricia wird mir mitteilen, was sie über deine Mum rausgefunden haben. Du kommst schon wieder in Ordnung. Ich weiß, es hat nicht den Anschein, aber ich wusste von der ersten Minute an, als ich dich sah, dass du ein ganz

Weitere Kostenlose Bücher