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Der Schuldige: Roman (German Edition)

Der Schuldige: Roman (German Edition)

Titel: Der Schuldige: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Ballantyne
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Adressenbüchlein hervor. Es war mit Bramptoner Farmern angefüllt, aber dann fand er Harriet – Harriet MacBryde – unter ihrem Mädchennamen eingetragen, obwohl Harriet geheiratet und eine Familie in Cork hatte – er hatte die Fotos gesehen. Daniel blätterte das Büchlein weiter durch und verharrte an dessen Ende bei einem anderen Namen, den er kannte: Tricia Stern.
    Tricia . Daniel konnte sich noch erinnern, wie er mit ihr zum ersten Mal zu Minnies Farm gefahren war. Da standen die Telefonnummer und die Adresse der Kinderfürsorgedienste Newcastle und eine andere Nummer von den Fürsorgediensten Carlisle.
    Daniel fing wieder von vorn an und blätterte das Büchlein diesmal langsamer durch. Jane Flynn – eine Londoner Nummer, die Adresse irgendwo in Hounslow. Flynn war Minnies Ehename gewesen: Minnie Flynn, Norman Flynn und Delia Flynn – die Flynns von der Flynn Farm. Norman musste schon mal eine Familie gehabt haben, folgerte Daniel, obwohl Minnie nie über sie gesprochen hatte. Natürlich nicht – sie konnte kaum ihren Mann erwähnen, ohne dass ihre Augen von Tränen glänzten.
    Es war spät, und Daniel hatte keine Zeit. Er hatte zu viel zu tun und würde ohnehin bis zwei aufbleiben, aber zu viele Fragen wirbelten ihm im Kopf herum. Jahrelang hatte er versucht, sie aus seinen Gedanken zu verbannen, aber nun, da sie tot war, fand er sich zu ihr hingezogen. Er hätte gern gewusst, warum sie ihn verletzt hatte und warum sie ihn so sehr verletzt hatte. Aber es war zu spät.
    Daniel holte tief Luft. Er blätterte das Adressenbüchlein rückwärts durch, wobei er die Stirn auf seinen Handballen stützte, sodass ihm das Haar über die Finger fiel.
    Er griff zum Telefon und wählte mit dem Daumen die Nummer von Harriet MacBryde, Middleton, Cork. In der anderen Hand hielt er die Bierflasche. Er wählte alle Zahlen bis auf die letzte und legte auf. Harriet würde nicht mit ihm sprechen wollen, überlegte er. Sie hielt ihn für eine Schande, für jemanden, der sein Bedauern äußern sollte, für den Schuldigen. Was wollte er denn von Harriet wissen? Er wollte etwas über Minnie wissen, wollte wissen, wer sie war, abgesehen von der breithüftigen Frau, die ihn bemuttert und vor sich selbst gerettet hatte. Daniel fuhr sich mit beiden Händen durch das Haar und seufzte tief. Er legte das Telefon weg und ging in Erwartung einer langen Nacht erneut an seine Arbeit.
    Die Staatsanwaltschaft hatte einen Psychiater beauftragt, Sebastian zu beurteilen. Der Bericht zeigte, dass er geistig gesund und verhandlungsfähig sei. Auch Daniel hatte eine psychologische Beurteilung vereinbart. Der Psychologe war zum Parklands House gefahren, um sich mit Sebastian zu treffen, und hatte eine Woche später den Bericht an Harvey, Hunter and Steele geschickt. Daniel biss sich auf die Unterlippe, als er den Bericht in seine Aktentasche schob. Er wusste nicht, was er von dem Psychologen erwartet hatte. Manchmal, wenn er mit Sebastian zusammen war, fühlte er eine seltsame Affinität zu ihm. Andere Male fühlte auch er sich unbehaglich in Gegenwart des Jungen, den Irene als verstörend bezeichnet hatte.
    In der Herrentoilette richtete Daniel seine Krawatte und fuhr sich mit einer Hand durch die Haare. Er war allein und betrachtete sich eine Sekunde länger, als er es normalerweise tat, und lächelte nicht, sondern beobachtete sein Gesicht so, wie es seiner Vorstellung nach andere sahen. Er sah müde aus, unter seinen dunklen Augen lagen Schatten, und seine Wangen waren eingefallener als sonst. Er erinnerte sich an seine Wildheit als Kind. Er wusste, woher sie gekommen, aber nicht, wo sie geblieben war. Er beugte sich näher zu dem Spiegel, fuhr mit einem Finger über seinen Nasenrücken und tastete nach dem kleinen Höcker, den er einem Nasenbeinbruch zuschrieb, den er als kleiner Junge erlitten hatte.
    Daniel musste im Old Bailey einer kurzen Voruntersuchung beiwohnen, und hinterher hatte er eine Verabredung mit dem Psychologen. Er war spät dran und joggte deshalb zur U-Bahn, rannte die Rolltreppen hinunter und wieder hinauf, entschul digte sich, als seine Aktentasche gegen die Hüfte einer Frau stupste. Er kam an der Station St. Paul’s ans Tageslicht und ging zum Old Bailey.
    Es war nach vier, als er aus dem Zentralen Strafgerichtshof herauskam und sich nach Fulham auf den Weg machte, um sich mit dem Psychologen Dr. Baird zu treffen. Irene war aufgehalten worden, und so erschien nur Mark Gibbons, ihr Referendar, zu dem Treffen.
    Baird war

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