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Der Schuldige: Roman (German Edition)

Der Schuldige: Roman (German Edition)

Titel: Der Schuldige: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Ballantyne
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seiner Gabel.
    »Minnie?«
    »Hmm?« Sie blickte auf. Ihr Gesicht war wieder entspannt, und ihre Wangen schimmerten rosa.
    »Hat dich Tricia diese Woche angerufen?«
    »Nein, Liebling. Warum? Möchtest du mit ihr reden?«
    »Na ja, ich wollte sie nur fragen, was passieren würde, wenn ich nicht adoptiert werde, also … wenn sie mich ins Heim stecken. Ich möchte wissen, wann es passiert.«
    Daniel fühlte die Wärme ihrer Finger auf seinem Arm. »Du wirst adoptiert werden. Iss jetzt.«
    »Aber was, wenn nicht, kann ich dann hierbleiben?«
    »Solange sie dich hier lassen, ja. Aber du wirst adoptiert. Das möchtest du doch auch, oder? Eine neue eigene Familie.«
    »Ich weiß nicht. Ich hätte nichts dagegen, hier bei dir zu bleiben …« Er blickte auf sein Essen.
    »Na ja, ich habe dich auch gern hier bei mir, aber ich mach mir nichts vor, dass es dir nicht besser gehen könnte. Junge Eltern, vielleicht sogar Brüder und Schwestern – das ist es, was du brauchst –, ein richtiges Zuhause.«
    »Mir hängen neue Zuhauses zum Hals raus.«
    »Das nächste wird das letzte sein, Danny. Da bin ich sicher.«
    »Warum kann dies hier nicht das letzte sein?«
    »Iss jetzt auf, dein Essen wird kalt.«
    Sie räumten zusammen auf, und Daniel trocknete die Teller ab, während Minnie sich noch einen Drink eingoss. Er beobachtete sie aus den Augenwinkeln und bemerkte, dass ihre Bewegungen langsamer, schwerfälliger geworden waren. Minnie trug den Eiscremebecher mit den Einnahmen ins Wohnzimmer und stellte ihn offen auf den Kaffeetisch neben ihren Gin. Sie beugte sich schwer atmend nach vorn und machte Feuer, und die zischenden, rauchigen Kohlen erwärmten das Zimmer langsam. Sie legte eine Klassikplatte auf, dann ließ sie sich in ihren Sessel plumpsen und trank noch einen Schluck von ihrem Drink.
    »Krieg ich denn jetzt meine Provision?«, fragte Danny, der neben dem Kaffeetisch auf dem Fußboden kniete.
    »Na ja, wir schauen mal. Zuerst möchte ich, dass du’s zählst. Geht das?«
    Daniel nickte. Er trennte Münzen und Geldscheine voneinander und begann, sie zu zählen, wobei er die Zahlen vor sich hin flüsterte. Das Knistern des Kohlefeuers war über den langsamen Satz der Sinfonie hinweg zu hören, die sie ausgewählt hatte. Blitz saß aufgerichtet da wie immer, wenn eine Platte lief. Er spitzte die Ohren, dann drehte er sich dreimal im Kreis, bevor er sich zu ihren Füßen niederließ, die Schnauze auf den Pfoten.
    »Wie viel?«, fragte Minnie, als Daniel fertig gezählt hatte.
    »Hundertsiebenunddreißig Pfund, dreiundsechzig Pence«, sagte Daniel.
    »Gut, hier, tu’s für mich zurück in den Becher, aber behalte einen Fünfer für dich. Danke für deine ganze schwere Arbeit.«
    Daniel tat, was sie verlangte. Er saß mit untergeschlagenen Beinen da und starrte die Fünfpfund-Note an.
    »Du hast das Geld ziemlich schnell gezählt. Bist du sicher, dass du dich nicht verzählt hast?«
    »Ja. Möchtest du nachzählen?«
    »Später, aber ich glaube dir. Du bist ein kluger Junge, nicht? Eigentlich solltest du in der Schule besser sein als du’s bist.«
    Daniel zuckte mit den Schultern und kletterte auf das Sofa, legte sich auf den Rücken, die Hände unter dem Kopf, und wandte ihr das Gesicht zu.
    »Deine Lehrerin sagt genau das Gleiche, dass du die Antworten weißt, wenn sie dich fragt, aber du beendest nie eine Prüfung oder einen Test. Du machst deine Hausaufgaben nicht zu Ende oder erledigst nicht die Arbeiten, die sie dir aufgibt. Warum denn nur?«
    »Ich habe keine Lust dazu.«
    Minnie überlegte. Daniel beobachtete, wie sie das Kinn hob und ins Feuer starrte.
    »Denk an deine Mutter und deinen Vater, wenn du dich an ihn erinnern kannst«, sagte sie leise. »Würdest du sagen, sie hatten ein gutes Leben?«
    Daniel wartete, dass sie sich umdrehte und ihn ansah, ehe er mit den Achseln zuckte.
    »Wenn du ans Erwachsenwerden denkst, was stellst du dir vor, was du dann machst?«
    »Ich möchte in London sein.«
    »Um dort was zu tun? Welche Arbeit würdest du gern machen, und ich meine damit nicht als Taschendieb.«
    »Ich weiß nicht.«
    »Also, möchtest du viel Geld verdienen, möchtest du Menschen helfen, möchtest du im Freien arbeiten …?«
    »Ich möchte Geld verdienen.«
    »Tja, du könntest Banker werden. In der City arbeiten, in der Fleet Street …«
    »Ich weiß nicht.«
    Sie schwieg und drehte sich wieder zum Feuer um. Draußen war es inzwischen dunkel, und Daniel sah, wie sich das Feuer und ihr Gesicht im

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