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Der Schuldige: Roman (German Edition)

Der Schuldige: Roman (German Edition)

Titel: Der Schuldige: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Ballantyne
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Fenster spiegelten.
    »Wenn du dir jetzt dein Leben anschaust, sehen wir, dass es durch die Justiz kontrolliert wird, stimmt’s nicht? Du hast wahrscheinlich öfter vor Gericht gestanden als ich, und die Justiz hat entschieden, dass du zu deiner eigenen Sicherheit entfernt von deiner Familie leben musst. Ich frage mich, ob du wohl ein guter Anwalt wärst. Dann könntest du bei all diesen Dingen mitreden und obendrein noch eine Menge Geld verdienen.«
    Daniel begegnete ihrem Blick, sagte aber nichts. Noch nie zuvor hatte jemand so mit ihm geredet. Niemand hatte ihm gesagt, dass er entscheiden könne, was mit ihm geschieht.
    »Die nächsten Jahre sind wahrscheinlich die wichtigsten in deinem Leben, Danny. Nächstes Jahr wirst du zur Highschool gehen. Wenn du bei deinen Prüfungen gut abschneidest, kannst du alles erreichen. Alles, das sage ich dir! Du kannst in London arbeiten, alles tun, was du möchtest, glaub mir. Meine Kleine, Delia, sie war wie du. Helle wie ’ne Leuchte. Alle ihre Fächer, Mathe, Englisch, Geschichte, sie hat immer so gut abgeschnitten. Sie wollte Ärztin werden. Wäre sie auch geworden …«
    Minnie drehte sich wieder zum Feuer um. Seine Hitze hatte das Zimmer erwärmt, und ihre Wangen waren mittlerweile rot und glänzten.
    »Was muss man denn machen, um Anwalt zu werden?«
    »Einfach in der Schule gut sein, Liebling, und dann zur Universität gehen. Denk an all die Leute, die dich gedeckelt haben. Das würde es ihnen zeigen, nicht wahr? Wenn du die Universität absolvieren und Anwalt würdest.« Sie kicherte in sich hinein, während sie ins Feuer starrte, dann hievte sie sich hoch, um sich noch einen Drink einzugießen. »Überleg mal, wie stolz deine Mum sein würde.«
    Daniel lag auf der Couch und beobachtete Blitz, der sich streckte: Schnauze am Teppich und Hinterbeine in der Luft. Er erinnerte sich an seinen letzten Pflegevater, der ihn an den Schultern gepackt und fieser kleiner Dreckskerl geflüstert hatte, und an einen von den Freunden seiner Mutter, der ihn ins Gesicht geschlagen und ein eierloses Nichts genannt hatte, als er für ihn Zigarettenpapier holen gegangen war und das falsche Wechselgeld zurückgebracht hatte. Er holte tief Luft.
    »Ich muss also bloß in der Schule gut sein?«
    »Nun, ja, das ist das Eine. Und ich fände es unnötig, dir all das zu erzählen, wenn ich nicht dächte, es wäre die Mühe wert. Aber ich weiß, du bist helle. Du könntest es ihnen zeigen.«
    Sie ging aus dem Zimmer, und Daniel hörte, dass sie sich in der Küche einen Drink machte. Er fühlte die Wärme des Feuers auf seiner Haut, und was sie gesagt hatte, schien ihn auch von innen zu wärmen. Er fühlte sich stark, aber gut. Es erinnerte ihn an seine Fürsorge für die Tiere.
    Minnie ließ sich wieder in den Sessel sinken und verschüttete dabei etwas von ihrem Drink auf die Strickjacke, was sie mit der flachen Hand in die Wolle rieb.
    »Also, wenn ich Anwalt wäre, könnte ich dann Jungen helfen, bei ihrer Mum zu bleiben?«
    »Tja, es gibt alle möglichen Arten von Anwälten, Liebling. Manche arbeiten im Familienrecht, und wenn es das wäre, was dich interessiert, könntest du das tun. Aber manche arbeiten bei großen Firmen, manche arbeiten mit Verbrechern oder auf dem Immobilienmarkt … verstehst du, helfen Leuten beim Häuserkauf.«
    »Es wäre also wie beim Crown Court . Ich würde vor dem Richter meine Meinung vertreten?«
    »Das könntest du tun, ja. Du wärst auch großartig.«
    Daniel dachte einen Moment nach, während er auf das Klingeln der Eiswürfel in ihrem Glas horchte.
    »Darf ich den Fernseher anmachen?«, fragte er.
    »Okay. Schalte die Platte aus, aber sei vorsichtig und zerkratz sie nicht. Mach’s so, wie ich es dir gezeigt habe.«
    Daniel sprang auf und hob sacht die Nadel von der Platte. Er hob die Platte an, wie sie es ihm gezeigt hatte, mit beiden Händen am Rand, um keine Fingerabdrücke zu hinterlassen, und ließ sie vorsichtig in ihre Hülle gleiten.
    Sie hatte einen alten Schwarz-Weiß-Fernseher mit einem Einstellknopf. Daniel drehte daran, bis er eine Komödie fand, dann sprang er zurück auf die Couch.
    »Du solltest einen Farbfernseher kaufen.«
    »Ach, sollte ich das? Ich habe bessere Dinge mit meinem Geld zu kaufen. Wenn du ein reicher Anwalt bist, kannst du mir ja vielleicht einen kaufen.«
    Sie zwinkerte ihm zu, und Daniel lächelte. Er fühlte Wärme in seinem Inneren. Es war der Gedanke, die kommenden Jahre hierzubleiben und dies sein Zuhause zu nennen. Er

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