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Der Schutzengel

Der Schutzengel

Titel: Der Schutzengel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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22. Januar, war sie verwirrt, aufgebracht und ängstlich zugleich. Daß ein heimlicher Verehrer dieses Spiel so lange treiben sollte, kam ihr unwahrscheinlich vor. Jede weitere Kröte war in ihren Augen eher eine Verhöhnung als eine Liebesgabe. Die Hartnäckigkeit des Unbekannten geriet langsam in die Nähe einer Besessenheit.
    Den größten Teil der Nacht zum Sonntag verbrachte sie in einem Sessel am großen Fenster ihres abgedunkelten Wohnzimmers. Durch einen Vorhangspalt konnte sie den Eingangsbereich des Appartementgebäudes und ihre eigene Wohnungstür beobachten. Falls der Kerl nachts aufkreuzte, wollte sie ihn auf frischer Tat ertappen und zur Rede stellen. Als er jedoch nicht kam, döste sie gegen halb vier Uhr ein. Als sie morgens aufwachte, lag kein Päckchen auf der Schwelle.
    Nachdem Laura geduscht und kurz gefrühstückt hatte, verließ sie das Haus und ging zu ihrem Auto, das auf einem überdachten Stellplatz hinter dem Gebäude stand. Sie wollte in die Universitätsbibliothek fahren, um dort zu studieren, und dies war ein Tag, an dem man sich lieber nicht im Freien aufhielt. Der bleigraue, wolkenverhangene Winterhimmel wirkte bedrückend – ein Gefühl, das sich noch verstärkte, als Laura auf der Instrumentenabdeckung ihres versperrten Chevy eine weitere Schachtel entdeckte. Am liebsten hätte sie vor Wut und Verzweiflung laut gekreischt.
    Statt dessen setzte Laura sich ans Steuer und öffnete die Schachtel. Bisher waren die Figuren nie teuer gewesen – zehn bis 15 Dollar, manche vielleicht nur drei Dollar wert –, diesmal aber hatte der Unbekannte ihr eine Porzellanminiatur geschenkt, die mindestens 50 Dollar gekostet haben mußte. Die Verpackung interessierte Laura jedoch mehr als die Kröte: Die Schachtel war nicht neutral wie sonst immer, sondern trug den Aufdruck der Geschenkboutique »Collectibles« in der Ladenpassage an der South Coast Plaza.
    Laura fuhr sofort hin, war eine Viertelstunde zu früh da, wartete auf einer Bank in der Passage und betrat als erste Kundin den Laden, als geöffnet wurde. Besitzerin und Geschäftsführerin der Boutique war Mrs. Eugenia Farvor, eine grauhaarige, zierliche Mittfünfzigerin. »Ja, wir führen solche Figuren«, bestätigte sie, nachdem sie sich Lauras knappe Erklärung angehört und die Porzellankröte betrachtet hatte, »und ich habe die hier gestern nachmittag einem jungen Mann verkauft.«
    »Wissen Sie, wie er heißt?«
    »Nein, leider nicht.«
    »Wie hat er ausgesehen?«
    »Ich kann mich gut an ihn erinnern, weil er so groß gewesen ist. Über einsneunzig, eher einsfünfundneunzig. Und sehr breitschultrig. Er war recht gut angezogen. Blauer Anzug mit Nadelstreifmuster und dezent gestreifte Krawatte. Bei seiner Größe hat er bestimmt Mühe, Konfektionskleidung zu finden.«
    »Hat er bar bezahlt?«
    »Mmmmm … nein, mit einer Kreditkarte, glaube ich.«
    »Haben Sie die Rechnungsdurchschrift noch?«
    »Bestimmt! Bis wir sie bei den Kreditkartenorganisationen einreichen, vergehen immer ein, zwei Tage.« Mrs. Farvor führte Laura an Vitrinen mit Wedgwoodporzellan, Lalique- und Waterfordkristall, Hummelfiguren und anderen teuren Stücken vorbei zu einem winzigen Büro hinter dem Laden. Dann hatte sie plötzlich Bedenken, die Identität ihres Kunden preiszugeben. »Falls er harmlose Absichten hat, falls er Sie wirklich nur verehrt – und ich muß sagen, daß er sehr nett und freundlich gewesen ist –, würde ich ihm alles verderben. Er wird sich Ihnen bestimmt zu erkennen geben, wann er’s für richtig hält.«
    Laura gab sich große Mühe, Mrs. Farvor für sich einzunehmen und ihr Mitgefühl zu wecken. Sie konnte sich nicht erinnern, jemals beredter oder mit mehr Eindringlichkeit gesprochen zu haben; im allgemeinen lag es ihr besser, ihre Gefühle schriftlich auszudrücken. Echte Tränen kamen ihr dabei zu Hilfe – und überraschten Laura noch mehr als die Besitzerin der Boutique.
    Laura verließ die Geschenkboutique mit seinem Namen – Daniel Packard – und seiner Telefonnummer, die von der Kreditkarte aufs Rechnungsduplikat übernommen worden waren. Sie betrat sofort eine Telefonzelle in der Ladenpassage, um ihn nachzuschlagen. Im Telefonbuch standen zwei Daniel Packards, aber der mit der angegebenen Nummer wohnte in der Newport Avenue in Tustin.
    Als sie zu dem kleinen Parkplatz zurückging, setzte kalter Nieselregen ein. Laura schlug den Mantelkragen hoch, hatte aber weder Hut noch Regenschirm. Bis sie ihren Wagen erreichte, hatte sie nasse

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