Der Schutzengel
letztes Lebewohl waren.
Stefan zwängte sich zwischen dem Jeep und dem schmutziggrauen Schneewall hindurch. Der Spalt war so eng, daß die Fahrertür sich vorhin nicht hatte öffnen lassen, aber eben breit genug, daß Stefan sich in Richtung Wagenheck hindurchzwängen konnte. Dort erwartete Kokoschka ihn hoffentlich nicht; von dort aus konnte er einen gezielten Schuß abgeben, bevor Kokoschka sich herumwarf und ihn mit seiner Maschinenpistole durchsiebte.
Kokoschka. Stefan war noch nie in seinem Leben so überrascht gewesen wie in dem Augenblick, als Kokoschka aus dem Pontiac stieg. Das bedeutete, daß man ihm im Institut als Verräter auf die Schliche gekommen war. Und daß man dort auch wußte, daß er sich Lauras eigentlichem Schicksal entgegengestellt hatte. Kokoschka hatte die Blitzstraße benutzt, um den Verräter und offenbar auch Laura zu liquidieren.
Jetzt schob sich Stefan tief geduckt zwischen Jeep und Schneewall zum Wagenheck vor. Ein weiterer Feuerstoß aus der Maschinenpistole ließ die Autofenster über ihm zersplittern. Die scharfen Eiskanten des Schneewalls bohrten sich in seinen Rücken; wenn er sich trotz der schmerzhaften Kanten dagegenstemmte, zersprang das Eis, und der Schnee darunter ließ sich so weit zusammendrücken, daß er durchkam. Er hatte gesehen, daß Laura und Chris unter den Jeep gerobbt waren, aber er wußte, daß sie dort bestenfalls eine Minute lang sicher waren – vielleicht nicht einmal so lange. Sobald Kokoschka um den Jeep bog und sie dort nicht sah, würde er einen Blick unter das Fahrzeug werfen, die beiden dort entdecken, das Feuer eröffnen und sie in ihrem Kerker mit einem Kugelhagel durchsieben.
Und was war mit Danny? Er war so riesig, so überdimensional groß, daß er bestimmt nicht hatte unter den Jeep kriechen können. Außerdem war er bereits verwundet und mußte vor Schmerzen steif sein. Zudem war Danny nicht der Mann, sich vor einem Angreifer zu verstecken, nicht einmal vor diesem Killer.
Dann erreichte Stefan endlich die hintere Stoßstange. Er blickte vorsichtig um die Ecke und sah keine drei Meter von sich entfernt den Pontiac mit offener Fahrertür und laufendem Motor auf der falschen Straßenseite stehen. Kokoschka war nirgends zu sehen, deshalb löste Stefan sich mit seiner 9,65mm-Pistole Walther PPK/S von dem Schneewall und glitt hinter den Jeep. Er kroch weiter und lugte um die andere Stoßstangenkante.
Kokoschka bewegte sich in der Straßenmitte auf die Frontseite des Jeeps zu, hinter der er jemand in Deckung vermutete. Seine Waffe war eine Uzi mit verlängertem Magazin, die er für diesen Einsatz gewählt hatte, weil sie keinen Anachronismus darstellte. Als Kokoschka die Lücke zwischen den beiden Fahrzeugen erreichte, eröffnete er wieder das Feuer und bewegte die MP-Mündung dabei von links nach rechts. Kugeln trafen Blech, surrten als Querschläger davon, durchlöcherten Reifen oder klatschten dumpf in den Schneewall.
Stefan schoß auf Kokoschka, verfehlte ihn.
Plötzlich stürzte Danny sich mit berserkerhaftem Mut auf Kokoschka. Er sprang aus seinem Versteck hinter dem Kühler auf, vor dem er so flach im Schnee gelegen haben mußte, daß der Kugelhagel von vorhin über ihn hinweggegangen war. Der erste Feuerstoß hatte ihn verwundet, aber er war noch immer so stark und schnell, daß er einen Augenblick lang sogar die Chance zu haben schien, den Killer zu erreichen und kampfunfähig zu machen. Kokoschka, der die Mündung der Uzi von links nach rechts schwenkte, zielte in die falsche Richtung, als er Danny angreifen sah, und mußte seine Bewegungs- und Schußrichtung erst wieder umkehren. Hätte er nicht in der Straßenmitte, sondern dichter bei dem Jeep gestanden, wäre Dannys Angriff nicht mehr rechtzeitig abzuwehren gewesen.
»Nein!« rief Stefan und schoß dreimal auf Kokoschka, während Danny sich auf diesen stürzte.
Aber Kokoschka hatte vorsichtigen Abstand gewahrt und riß die kugelspeiende MP-Mündung jetzt herum, bis sie direkt auf Danny zeigte, der noch zwei, drei Schritte von ihm entfernt war. Danny taumelte mehrfach getroffen rückwärts und brach zusammen.
Für Stefan war es kein Trost, daß auch Kokoschka getroffen wurde, während er Danny durchsiebte: Zwei Schüsse aus der Walther hatten Kokoschkas linken Oberschenkel und seine linke Schulter getroffen. Auch er ging zu Boden. Dabei fiel ihm die Maschinenpistole aus den Händen und schlitterte kreiselnd über den schneebedeckten Asphalt davon.
Unter dem Jeep schrie Laura
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