Der Schutzengel
gellend laut.
Stefan verließ seine Deckung hinter dem Jeep und rannte bergab auf Kokoschka zu, der keine zehn Meter entfernt in der Nähe des Blazers lag. Er rutschte auf dem Schnee aus und hatte Mühe, sein Gleichgewicht zu halten.
Obwohl Kokoschka schwer verwundet war und zweifellos unter Schockeinwirkung stand, sah er Stefan kommen. Er wälzte sich auf die Uzi zu, die vor dem linken Hinterrad des Blazers zur Ruhe gekommen war.
Stefan gab im Laufen drei Schüsse ab, aber er zielte in der Eile nicht sorgfältig, Kokoschka wälzte sich zur Seite, so daß er den Dreckskerl verfehlte. Dann rutschte Stefan erneut aus, knallte in der Straßenmitte hin und fiel so schwer aufs rechte Knie, daß ein stechender Schmerz Oberschenkel und Hüfte durchzuckte.
Kokoschka wälzte sich weiter und erreichte die Maschinenpistole.
Als Stefan merkte, daß er den Mann nicht mehr rechtzeitig erreichen würde, erhob er sich auf beide Knie und nahm die Walther mit beiden Händen. Er war sechs, sieben Meter von Kokoschka entfernt – es war eigentlich nicht sehr weit. Aber selbst ein Meisterschütze konnte aus dieser Entfernung danebenschießen, wenn die äußeren Bedingungen schlecht genug waren. Und hier waren sie denkbar schlecht: beginnende Panik, ungünstiger Schußwinkel, Sturmböen, die das Geschoß ablenken konnten.
Sobald Kokoschka die Waffe in den Händen hatte, betätigte er den Abzug, ohne sich aufzurichten und noch bevor er die Mündung herumgerissen hatte. Der erste Feuerstoß aus der Uzi ging unter dem Blazer durch und durchlöcherte die Vorderreifen.
Während Kokoschka die Maschinenpistole schwenkte, gab Stefan ruhig und überlegt die letzten drei Schüsse ab. Trotz des Windes und des ungünstigen Winkels mußten sie treffen, denn falls er danebenschoß, würde ihm keine Zeit zum Nachladen bleiben.
Der erste Schuß der Walther ging daneben.
Die Mündung schwenkte weiter herum, so daß die nächsten Schüsse die Frontpartie des Jeeps trafen. Laura lag mit Chris unter diesem Wagen, und Kokoschka schoß im Liegen, so daß zumindest einige Schüsse die Unterseite des Jeeps getroffen haben mußten.
Stefan drückte erneut ab. Die Kugel durchschlug Kokoschkas Oberkörper, die Maschinenpistole verstummte. Stefans letzter Schuß traf Kokoschka in den Kopf. Es war vorbei.
Laura hatte Dannys unglaublich tapferen Angriff aus ihrer Deckung unter dem Jeep mitverfolgt, sah ihn wieder zu Boden gehen und bewegungslos auf dem Rücken liegenbleiben und wußte, daß er tot war – unwiderruflich tot. Schmerz wie der gleißend helle Lichtschein einer Explosion durchzuckte sie, sie sah eine Zukunft ohne Danny vor sich: eine so unbarmherzig grelle, so schreckliche Vision, daß es ihr fast das Bewußtsein raubte.
Dann dachte sie an Chris, der noch lebte und sich schutzsuchend an sie schmiegte. Sie verdrängte ihren Schmerz, der später zurückkehren würde – falls sie überlebte. Im Augenblick kam es darauf an, Chris am Leben zu erhalten und ihm nach Möglichkeit den Anblick des von Kugeln durchsiebten Körpers seines Vaters zu ersparen.
Dannys Leiche verdeckte einen Teil ihres Blickfelds, aber Laura sah, wie Kokoschka von Schüssen getroffen wurde. Sie sah ihren Beschützer auf den am Boden liegenden Killer zulaufen, glaubte einen Augenblick lang, das Schlimmste sei überstanden. Dann rutschte ihr Beschützer aus und fiel hin, während Kokoschka sich auf die Maschinenpistole zuwälzte, die ihm entglitten war. Weitere Schüsse, zwei lange Feuerstöße, bei denen Kugeln unter dem Jeep hindurchpfiffen, so daß Chris und Laura nur durch ein Wunder unverletzt blieben, und wieder einzelne Schüsse.
Nach dem letzten Schuß herrschte anfangs eine vollkommene Stille. Laura hörte weder den Wind noch das leise Schluchzen ihres Sohnes. Das Weinen drang erst allmählich in ihr Bewußtsein.
Als sie sah, daß ihr Beschützer lebte, war sie erleichtert und zugleich irrational empört darüber, daß er am Leben war, weil er diesen Kokoschka angelockt hatte, der Danny ermordet hatte. Andererseits wäre Danny – und mit ihm seine Frau und sein Sohn – bestimmt bei dem Zusammenstoß mit dem Lastwagen umgekommen, wenn ihr Beschützer nicht rechtzeitig aufgetaucht wäre. Wer zum Teufel war der Kerl? Woher kam er? Weshalb interessierte er sich so für sie? Sie war geschockt, zornig, tieftraurig und total verwirrt.
Ihr Beschützer, der offenbar Schmerzen hatte, stand auf und hinkte zu Kokoschka hinüber. Laura drehte sich zur Seite, um an Dannys
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