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Der Schwarm

Der Schwarm

Titel: Der Schwarm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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Verlauf der Messungen war die Sonne dem südwestlichen Verlauf des Kontinentalhangs bis oberhalb Schottlands gefolgt, während der Videoschlitten Bilder aus der Tiefe sandte. Der Schlitten, ein klobiges Gestell, das aussah wie ein Stahlregal voll unordentlich hineingestopfter Apparaturen, verfügte über diverse Messinstrumente, starke Scheinwerfer und ein elektronisches Auge, das den Meeresboden filmte und die Eindrücke per Lichtwellenkabel ins Monitorlabor schickte, während er hinter dem Schiff hergezogen wurde.
    An Bord der Thorvaldson lieferte der modernere Victor das Bildmaterial. Das norwegische Forschungsschiff folgte dem Hangverlauf in nordöstliche Richtung und analysierte das Wasser der norwegischen See bis hinauf nach Tromsø. Beide Schiffe hatten ihre Fahrt vom Standort der geplanten Fabrik aus begonnen. Mittlerweile hielten sie wieder aufeinander zu. Mit ihrem Rendezvous in zwei Tagen würden sie zudem den kompletten Hang des norwegischen Sockels und der Nordsee neu vermessen haben. Bohrmann und Skaugen hatten vorgeschlagen, die Region so anzugehen, als habe man es mit unerforschtem Gebiet zu tun, und das war es seit kurzem auch. Nichts erschien mehr in vertrautem Licht, seit Bohrmann die ersten Messwerte präsentiert hatte.
    Das war am Vortag gewesen, am frühen Morgen, noch ehe die ersten Bilder vom Videoschlitten auf dem Monitor erschienen waren. Sie hatten in der feuchtkalten Dämmerung die Multisonde hinuntergelassen, und Johanson hatte versucht, das Fahrstuhlgefühl zu ignorieren, wenn die Sonne in den Wogen plötzlich wegsackte. Die ersten Wasserproben waren umgehend ins Seismiklabor gewandert und dort analysiert worden. Wenig später hatte Bohrmann das Team in den Konferenzraum aufs Hauptdeck gebeten, wo sie sich um den polierten Holztisch scharten, nun nicht mehr augenreibend und gähnend, sondern stumm vor Neugierde, Becher mit Kaffee umklammernd, dessen Wärme sich langsam in den Fingern auszubreiten begann.
    Bohrmann hatte geduldig gewartet, bis alle versammelt waren. Seine Augen waren auf ein Blatt Papier gerichtet.
    »Ich kann mit einem ersten Resultat aufwarten«, sagte er. »Es ist nicht repräsentativ, nur eine Momentaufnahme.« Er schaute auf. Sein Blick blieb eine Sekunde an Johanson hängen und wanderte weiter zu Hvistendahl. »Ist jeder mit dem Begriff Methanfahne vertraut?«
    Ein junger Mann aus Hvistendahls Stab schüttelte unsicher den Kopf.
    »Methanfahnen entstehen, wenn Gas aus dem Meeresboden austritt«, erläuterte Bohrmann. »Es vermischt sich mit Wasser, treibt in der Strömung und steigt auf. Im Allgemeinen messen wir solche Fahnen dort, wo eine Erdplatte sich unter die andere schiebt, sodass der Druck das Sediment zusammenquetscht und aufwirft. Als Folge quellen dort Fluide und Gase hervor. Ein weitgehend bekanntes Phänomen.« Er räusperte sich. »Aber sehen Sie, im Unterschied zum Pazifik gibt es solche Bereiche hohen Drucks nicht im Atlantik, also auch nicht vor Norwegen. Die Kontinentalränder sind weitgehend passiv. Dennoch haben wir heute Morgen in diesem Gebiet eine hoch konzentrierte Methanfahne gemessen. In früheren Messungen taucht sie nicht auf.«
    »Wie hoch ist die Konzentration jetzt?«, fragte Stone.
    »Bedenklich. Wir haben ähnliche Werte vor Oregon gemessen. In einem Gebiet mit äußerst starken Verwerfungen.«
    »Schön.« Stone versuchte, die Falten auf seiner Stirn zu glätten. »Meines Wissens tritt vor Norwegen permanent Methan aus. Wir kennen das von früheren Projekten. Es ist bekannt, dass der Meeresboden immer irgendwo Gase durchlässt, und es ist jedes Mal erklärbar, also wozu machen wir die Pferde scheu?«
    »Ihre Darstellung trifft nicht ganz den Kern der Sache.«
    »Hören Sie«, seufzte Stone. »Alles, was mich interessiert, ist, ob Ihre Messungen wirklich Anlass zur Besorgnis geben. Bislang kann ich das nicht erkennen. Wir verschwenden unsere Zeit.«
    Bohrmann lächelte verbindlich. »Dr. Stone, in diesem Gebiet, insbesondere nördlich von hier, sind ganze Stockwerke des Kontinentalhangs mit Methanhydraten regelrecht zementiert. Jede dieser Hydratschichten ist sechzig bis einhundert Meter dick, das sind gewaltige Deckel aus Eis. Aber wir wissen auch, dass diese Schichten stellenweise von senkrechten Zonen durchbrochen werden. Dort tritt seit Jahren Gas aus, das unseren Stabilitätsberechnungen zufolge eigentlich nicht austreten dürfte. Legt man Druck und Temperatur zugrunde, müsste es am Boden gefrieren, aber das tut es nicht. Da

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