Der Schwarm
haben Sie Ihre Gasaustritte. Es lässt sich mit ihnen leben, man kann sogar entscheiden, sie zu ignorieren. Aber wir sollten uns nicht in Sicherheit wiegen, bloß weil wirein paar Diagramme und Kurven entwickelt haben. Ich sage noch einmal, die Konzentration freien Methans in der Wassersäule ist unverhältnismäßig hoch.«
»Sind es denn wirklich Gasaustritte?«, fragte Lund. »Ich meine, steigt Methan aus dem Erdinnern nach oben, oder stammt das Gas vielleicht von ....«
»Schmelzenden Hydraten?« Bohrmann zögerte. »Das ist die entscheidende Frage. Wenn sich Hydrat zu zersetzen beginnt, müsste sich an den lokalen Parametern etwas geändert haben.«
»Und Sie glauben, das ist hier der Fall?«, fragte Lund.
»Es gibt eigentlich nur zwei Parameter. Druck und Temperatur. Wir haben aber weder eine Erwärmung des Wassers gemessen, noch ist der Meeresspiegel gesunken.«
»Das sage ich doch«, rief Stone. »Wir suchen Antworten auf Fragen, die kein Mensch gestellt hat. Ich meine, wir haben eine Probenentnahme.« Er sah sich nach Zustimmung heischend um. »Eine einzige verdammte Probe!«
Bohrmann nickte. »Sie haben vollkommen Recht, Dr. Stone. Alles ist spekulativ. Aber um die Wahrheit herauszufinden, sind wir hier.«
»Stone geht mir auf die Nerven«, hatte Johanson zu Lund gesagt, als sie kurz darauf in die Messe gegangen waren. »Was hat er eigentlich? Er scheint diese Tests regelrecht verhindern zu wollen? Dabei leitet er das Projekt.«
»Wir können ihn ja über Bord werfen.«
»Es reicht schon, was wir sonst ins Meer kippen.«
Sie holten sich frischen Kaffee und verzogen sich damit auf Deck.
»Und was hältst du von diesem Resultat?«, fragte Lund zwischen zwei Schlucken.
»Es ist kein Resultat. Es ist ein Zwischenwert.«
»Na schön. Was hältst du von dem Zwischenwert?«
»Ich weiß es nicht.«
»Komm schon.«
»Bohrmann ist der Experte.«
»Glaubst du wirklich, es hat was mit diesen Würmern zu tun?«
Johanson dachte an sein zurückliegendes Gespräch mit Olsen.
»Ich glaube erst mal gar nichts«, sagte er vorsichtig. »Es wäre absolut verfrüht, etwas zu glauben.« Er blies in seinen Kaffee und legte den Kopf in den Nacken. Über ihnen spannte sich ein trüber Himmel. »Ich weiß nur eines: dass ich jetzt lieber zu Hause säße als auf diesem Schiff.«Das war am Vortag gewesen.
Während die letzten Wasserproben analysiert wurden, verzog sich Johanson in den Funkraum hinter der Brücke. Über Satellit konnte er vom Schiff aus mit aller Welt Kontakt aufnehmen. In den vergangenen Tagen hatte er begonnen, eine Datenbank aufzubauen, E-Mails an Institute und Wissenschaftler zu verschicken und das Ganze als persönliches Interesse zu tarnen. Die ersten Antworten fielen enttäuschend aus. Niemand hatte den neuen Wurm beobachtet. Vor wenigen Stunden hatte er außerdem Kontakt zu Expeditionen aufgenommen, die gerade auf See waren. Er zog einen Stuhl heran, platzierte den Laptop zwischen den Funkgeräten und öffnete den E-Mail-Speicher. Auch diesmal war die Ausbeute mager. Die einzig interessante Nachricht stammte von Olsen, der ihm mitteilte, dass die Qualleninvasionen vor Südamerika und Australien offenbar außer Kontrolle geraten waren.
Weiß nicht, ob ihr da draußen Nachrichten hört, schrieb Olsen. Aber gestern Nacht brachten sie einen Sonderbericht. Die Quallen ziehen in riesigen Schwärmen die Küsten entlang. Es sieht so aus, sagt der Nachrichtenonkel, als steuerten sie gezielt von Menschen besiedelte Gegenden an. Natürlich völliger Blödsinn. Ach ja, und es hat wieder gekracht. Zwei Containerfrachter vor Japan. Außerdem verschwinden weiterhin Boote, aber diesmal wurden Notrufe aufgezeichnet. Die komischen Geschichten aus British Columbia geistern nach wie vor durch die Presse, ohne dass man was Konkretes erfährt. Würde man glauben, was da kolportiert wird, jagen in Kanada die Wale zur Abwechslung Menschen. Aber gottlob muss man ja nicht alles glauben. So weit das kleine Gute-Laune-Programm aus Trondheim. Ersauf mir nicht.
»Danke«, knurrte Johanson übellaunig.
Sie hörten tatsächlich zu selten Nachrichten. Forschungsschiffe waren wie Löcher in Zeit und Raum. Offiziell hörte man keine Nachrichten, weil man zu viel zu tun hatte. Tatsächlich wollte man einfach in Ruhe gelassen werden von Städten, Politikern und Kriegen, sobald die Wellen unter den Kiel schlugen. Bis man nach ein bis zwei Monaten auf See plötzlich zu verblassen schien und einen die Sehnsucht nach der
Weitere Kostenlose Bücher