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Der Schwarm

Der Schwarm

Titel: Der Schwarm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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waren sie beinahe eine Art Umweltpolizei.
    Zumindest, solange sie sich auf weiter Fläche verteilten.
    Aber sie lebten auch in Symbiose mit Würmern. Und dieser seltsame Wurm mit seinen monströsen Kiefern war voll gepackt mit Konsortien von Schwefelbakterien und Archäen. Sie lebten in ihm und auf ihm. Mit jedem Meter, den er sich ins Hydrat bohrte, brachte er die Mikroorganismen tiefer hinein, und sie begannen, das Eis von innen zu zersetzen. Wie Krebs. Irgendwann verendeten die Würmer, dann die Schwefelbakterien, aber die Archäen fraßen sich unbeirrt nach allen Seiten weiter durch das Eis hindurch zum freien Gas. Sie verwandelten das vormals kompakte Hydrat in eine poröse, brüchige Masse, und das Gas trat aus.
    Die Würmer können das Hydrat nicht destabilisieren, hörte Bohrmann sich sagen.
    Richtig. Aber es war auch gar nicht ihre Aufgabe. Die Würmer erfüllten nur den Zweck, ihre Archäenfracht ins Eis zu schaffen. Wie Omnibusse: Methanhydrat, fünf Meter Tiefe, alles aussteigen, an die Arbeit.
    Warum haben wir das nie erwogen, dachte Bohrmann. Temperaturschwankungen des Meerwassers, Verringerung des hydrostatischen Drucks, Erdbeben, all das gehörte zum Schreckensrepertoire der Hydratforschung. Nur über Bakterien hatte kaum jemand ernsthaft nachgedacht, obwohl bekannt war, was sie taten. Kein Mensch hätte im Traum das Szenario einer solchen Invasion entwickelt. Niemand hätte die Existenz eines Wurmes für denkbar gehalten, der sich als methanotropher Selbstmörder herausstellte. Seine Vielzahl, seine Ausdehnung auf einen kompletten Kontinentalhang, absurd, unerklärlich! Die Armee der Archäen, getrieben von ihrem fatalen Appetit, in ihrer Masse faktisch unmöglich!
    Und dann dachte er wieder: Wie um alles in der Welt sind diese Tiere dahin gekommen? Warum sind sie da? Was hat sie hingebracht?
    Oder wer?
    »Das Problem«, sagte Mirbach, »ist, dass unsere erste Simulation weitgehend auf linearen Gleichungen fußte. Aber die Wirklichkeit verläuft nicht linear. Wir haben es mit teils exponenziellen und weitgehend chaotischen Entwicklungen zu tun. Das Eis bricht auseinander, das Gas darunter sprudelt unter Hochdruck hervor und reißt ganze Brocken mit sich. Meeresboden stürzt ein, sodass der Zeitpunkt des Zusammenbruchs rasend schnell....«
    »Schon gut.« Bohrmann hob die Hand. »Wie lange noch?«
    »Ein paar Wochen. Ein paar Tage. Ein paar ....« Mirbach zögerte. Dann zuckte sie die Schultern. »Es gibt eine Unwägbarkeit bei alledem. Wir wissen immer noch nicht, ob es tatsächlich stattfinden wird. Fast alles spricht dafür, aber das Szenario ist so ungewöhnlich, dass wir über bloßes Theoretisieren kaum hinauskommen.«
    »Lassen wir das ganze diplomatische Versteckspiel. Was ist deine persönliche Meinung?«
    Mirbach sah ihn an.
    »Ich habe keine.« Sie machte eine kurze Pause. »Wenn drei Wanderameisen auf ein großes Säugetier treffen, werden sie allenfalls tot getreten. Wenn dasselbe Säugetier auf ein paar tausend von ihnen trifft, wird es bei lebendigem Leib bis auf die Knochen abgenagt. So ähnlich stelle ich mir das mit Würmern und Mikroorganismen vor. Capito?«
    »Ruf Johanson an«, sagte Suess wieder. »Sag ihm, wir rechnen mit einem Storegga-Effekt.«
    Bohrmann ließ langsam die Luft entweichen. Er nickte stumm.
     
     
    Trondheim, Norwegen
    Sie standen am Rande der Landeplattform, von wo man auf den Fjord sehen konnte. Vom gegenüberliegenden Ufer war kaum etwas zu erkennen. Die See lag vor ihnen wie matter Stahl unter einem immer grauer werdenden Himmel.
    »Du bist ein Snob«, sagte Lund mit Blick auf den wartenden Helikopter.
    »Natürlich bin ich ein Snob«, erwiderte Johanson. »Wenn man von euch zwangsrekrutiert wird, hat man sich einen gewissen Snobismus verdient, findest du nicht?«
    »Fang nicht wieder davon an.«
    »Du bist auch ein Snob. Du darfst die nächsten Tage mit einem feinen Geländewagen unterwegs sein.«
    Lund lächelte. »Dann gib mir mal die Schlüssel.«
    Johanson fingerte in seiner Manteltasche herum, zog den Schlüssel des Jeeps hervor und legte ihn in ihre Handfläche.
    »Pass gut drauf auf, solange ich weg bin.«
    »Keine Angst.«
    »Und komm bloß nicht auf die Idee, mit Kare darin zu knutschen.«
    »Wir knutschen nicht in Autos.«
    »Überall werdet ihr knutschen. Immerhin hast du gut daran getan, meinem Rat zu folgen und eine Lanze für den armen Stone zu brechen. Jetzt kann er seine Fabrik selber aus dem Wasser fischen.«
    »Auf die Gefahr hin, dich zu

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