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Der Schwarm

Der Schwarm

Titel: Der Schwarm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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eines jeden Einzelnen hätte sie beschreiben können, der Reihe nach, wie sie da saßen, nur durch einen kurzen Blick in die Augen. Li konnte in Seelen schauen, das hatte sie gelernt.
    Sie trat vor das Pult, lächelte und sagte:
    »Entspannen Sie sich.«
    Leises Murmeln durchlief die Reihen. Der eine oder andere schlug die Beine übereinander und lehnte sich steif zurück. Lediglich der gut aussehende norwegische Professor mit dem nachlässig drapierten Schal um den Hals hing beinahe gelangweilt in seinem Sitz. Hinter seiner Stirn schien ein anderer Film abzulaufen als in den Köpfen der Umsitzenden. Seine dunklen Augen ruhten auf Li. Sie versuchte, ihn einzuschätzen, aber Johanson blieb ihr verschlossen. Sie fragte sich, woran es lag. Der Mann hatte sein Haus verloren, er war mehr von der Katastrophe betroffen als irgendjemand sonst in diesem Raum. Er hättedeprimiert sein müssen, aber offenkundig war er es nicht. Es konnte nur einen Grund dafür geben. Johanson ging nicht davon aus, dass er heute etwas Neues erfahren würde. Er hatte seine eigene Theorie, und sie überwog Kummer und Verzweiflung. Entweder wusste er mehr als sie alle, oder er glaubte es zumindest.
    Sie würde den Norweger im Auge behalten.
    »Ich weiß, dass Sie unter enormem Druck stehen«, fuhr sie fort. »Und ich möchte Ihnen aufrichtig danken, dass Sie dieses Treffen möglich gemacht haben. Insbesondere den hier versammelten Wissenschaftlern möchte ich danken. Angesichts Ihrer Mitarbeit bin ich im Innersten sicher, dass wir die Ereignisse der jüngsten Vergangenheit nun auch im Licht der Hoffnung betrachten dürfen. Sie geben uns Mut.«
    Li sprach die Worte ohne Pathos, freundlich und ruhig, und sah dabei jeden direkt an. Sie erfreute sich ungeteilter Aufmerksamkeit. Nur Vanderbilt entblößte seine Zähne und stocherte darin herum.
    »Viele von Ihnen werden sich fragen, warum wir dieses Treffen nicht im Pentagon abhalten, im Weißen Haus oder im kanadischen Regierungssitz. Nun, einerseits wollten wir Ihnen einen möglichst angenehmen Rahmen bieten. Die Vorzüge des Chateau Whistler sind legendär. Aber sein Hauptvorzug ist die Lage. Die Berge sind sicher. Die Küsten sind es nicht. Keine der küstennahen Städte Kanadas oder Amerikas, in denen man solche Treffen abhalten könnte, ist derzeit noch sicher.«
    Sie ließ ihren Blick über die Gesichter wandern.
    »Das ist der eine Grund. Der andere ist die Nähe zur Küste British Columbias. Wir haben es mit Verhaltensanomalien und Mutationen zu tun, es gibt einen Kontinentalhang mit Methanvorkommen ... kurz, alles, was uns derzeit beschäftigt, kommt dort zusammen. Vom Chateau aus gelangen wir mit dem Helikopter in kürzester Zeit ans Meer und können eine Vielzahl von Forschungseinrichtungen anfliegen, insbesondere das Nanaimo Institute. Schon vor Wochen haben wir im Chateau einen Stützpunkt eingerichtet, um das Verhalten der Meeressäuger zu beobachten. Angesichts der Entwicklungen in Europa haben wir uns entschlossen, den Stützpunkt zum Krisenzentrum für die ganze Welt auszubauen. Und das bestmögliche Krisenmanagement, ladies and gentlemen, sind Sie.«
    Sie ließ die Worte eine Weile wirken. Sie wollte, dass die Leute im Raum sich ihrer Bedeutung bewusst wurden. Es war gut, wenn sie ungeachtet der tragischen Begleitumstände einen gewissen Stolz entwickelten, einen Sinn fürs Elitäre. So widersinnig es klang – es half ihnen, nach draußen den Mund zu halten.
    »Der dritte Grund ist, dass wir hier ungestört sind. Das Chateau ist von den Medien vollkommen abgeschottet. Natürlich bleibt es nicht unbemerkt, wenn ein Hotel in exponierter Lage plötzlich dichtmacht und überall Militärhubschrauber kreisen. Aber es hat nie eine offizielle Verlautbarung gegeben, was wir hier oben eigentlich tun. Wenn man uns fragt, sprechen wir von einer Übung. Darüber kann man zwar eine Menge schreiben, aber nichts Konkretes, also schreibt man besser gar nichts.« Li machte eine Pause. »Man kann, man darf der Öffentlichkeit nicht alles offen legen. Panik wäre der Anfang vom Ende. Ruhe bewahren heißt, handlungsfähig zu bleiben. – Lassen Sie es mich ganz offen sagen: Das erste Opfer im Krieg ist immer die Wahrheit. Und wir sind im Krieg. In einem Krieg, den wir erst verstehen müssen, um ihn zu gewinnen. Dafür ist es erforderlich, eine Verpflichtung vor uns selber und der ganzen Menschheit einzugehen, was konkret heißt, dass Sie von nun an mit niemandem, nicht einmal mit Ihren engsten

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