Der Schwarm
was anderes.«
»Kommen Sie runter von Ihrem hohen Ross. Sollte es zutreffen, dass die Kultur der Yrr, wie Dr. Johanson sagt, einzig auf Biologie fußt, müssen wir bezweifeln, dass sie uns gezielten und strukturierten Denkens überhaupt für fähig halten.«
»Sie meinen, die halten uns für ...« Vanderbilt verzog angewidert die Lippen. »Tiere?«
»Für Schädlinge vielleicht.«
»Pilzbefall«, grinste Delaware. »Vielleicht haben wir es ja mit Kammerjägern zu tun.«
»Sehen Sie, ich habe mich der Mühe unterzogen, deren Denkstruktur zu ergründen und daraus auf ihre Lebensweise zu schließen«, sagte Crowe. »Ich weiß, das ist alles furchtbar spekulativ, aber irgendwie müssen wir unsere Versuche der Kontaktaufnahme ja eingrenzen. Ich habe also darüber nachgedacht, warum den vielen kriegerischen Kontakten ihrerseits kein einziger diplomatischer vorausging. Es kann heißen, dass sie keinen Wert auf Diplomatie legen. Es kann aber auch bedeuten, dass ihnen gar nicht erst der Gedanke gekommen ist. Gut, auch ein Heer roter Wanderameisen würde mit einem Tier, über das sie herfallen, keine diplomatischen Höflichkeiten austauschen. Allerdings folgen Ameisen ausgeklügelten Instinkten. Die Yrr hingegen weisen sich durch planerisches Vorgehen aus, das von Erkenntnisfähigkeit geprägt ist. Sie entwickeln kreative Strategien. Wenn sie also intelligent und sich ihrer Intelligenz bewusst sind, scheint das keineswegs einherzugehen mit gängigen Vorstellungen von Moral und Ethik, Gut und Böse. In ihrer Logik ist es vielleicht nur konsequent, unsere Spezies mit aller Härte zu bekämpfen. Und solange wir ihnen keinen Grund geben, diese Konsequenz zu überdenken, werden sie es auch nicht tun.«
»Wozu überhaupt eine Nachricht, wenn sie ohnehin schon unsere Tiefseekabel anfressen?«, fragte Rubin. »Daraus müssten die Biester doch alle Informationen saugen können.«
»Da bringen Sie was durcheinander«, lächelte Shankar. »Sam's Arecibo-Botschaft ist für Außerirdische nur darum verständlich, weil sie so aufgebaut wurde, dass ein fremder Geist sie dechiffrieren kann. Die Mühe machen wir uns bei unserem täglichen Datenaustausch nicht. Für eine fremde Intelligenz kommt da nicht mehr raus als ein Heidendurcheinander.«
»Stimmt«, sagte Johanson. »Aber schauen wir mal weiter. Ich hatte diese Idee mit der Biotechnologie, und Sam greift sie auf. Warum? Weil sie offensichtlich ist. Keine Maschinen, keine Technik. Stattdessen pureGenetik, Organismen als Waffen, gezielte Mutationen. Die Yrr müssen der Natur in ganz anderer Weise verhaftet sein als wir. Ich könnte mir vorstellen, dass sie ihrer natürlichen Umwelt bei weitem nicht so entfremdet sind wie wir.«
»Also edle Wilde?«, fragte Peak.
»Edel würde ich nicht sagen. Ich meine, es ist verwerflich, die Luft mit Maschinenabgasen zu verpesten. Es kann ebenso verwerflich sein, Tiere zu züchten und genetisch zu verändern, wie es einem gerade in den Kram passt. Ich treffe nur Aussagen darüber, wie sie die Bedrohung ihres Lebensraums durch uns empfinden. Wir machen uns Gedanken über die Abholzung des Regenwaldes. Die einen sind dagegen, die anderen tun es trotzdem. Sie sind vielleicht der Regenwald, im übertragenen Sinne. Dafür spricht, wie sie mit Biologie umgehen – und an diesem Punkt kommt etwas hinzu, das mir auffällig erscheint. Sieht man von den Walen ab, bedienen sie sich in fast allen Fällen massenhaft auftretender Lebensformen. Würmer, Medusen, Großquallen, Muscheln, Krabben – alles Schwarmwesen. Sie opfern Millionen davon zur Erreichung ihrer Ziele. Der Einzelne gilt ihnen nichts. Würden Menschen so denken? Wir züchten Viren und Bakterienkulturen, aber vornehmlich setzen wir auf künstliche Waffen in überschaubarer Stückzahl. Biologische Massenvernichtungsmittel sind nicht wirklich unser Ding. Die Yrr hingegen scheinen sehr damit vertraut zu sein. Warum? Weil sie vielleicht selber Schwarmwesen sind?«
»Sie glauben...«
»Ich denke, dass wir es mit einer Kollektivintelligenz zu tun haben.«
»Und wie fühlt eine Kollektivintelligenz?«, fragte Peak.
»Wie fühlt ein Fischer, würde sich ein Fisch im Netz fragen, wenn er zu solcher Reflektion befähigt wäre«, sagte Anawak. »Warum müssen er und Millionen andere ersticken? Ist das nicht Massenmord?«
»Nein«, sagte Vanderbilt. »Das sind Fischstäbchen.«
Crowe hob die Hände.
»Ich stimme Dr. Johanson zu«, sagte sie. »Und die Schlussfolgerung ist, dass die Yrr einen
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