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Der Schwarm

Der Schwarm

Titel: Der Schwarm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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Sie ganz sicher?«
    »Ziemlich sicher.«
    »Hat er uns gesehen?«
    »Kaum. Wir sitzen hier im schattigen Eckchen. Er hätte schon sehr genau hinschauen müssen.«
    »Fragen wir ihn doch einfach, wenn er wieder auf dem Damm ist.«
    Johanson sah weiterhin zur Wand. Dann zuckte er die Achseln.
    »Ja. Fragen wir ihn.«
    Als sie zurück ins Labor gingen, hatten sie die Flasche Bordeaux zur Hälfte geleert, aber Oliviera fühlte sich nicht im Mindesten betrunken. Irgendwie wirkte das Zeug nicht in der kalten Luft. Sie war nur wunderbar beschwingt und von dem Gedanken beseelt, phantastische Entdeckungen zu machen.
    Und die machte sie auch.
    Im Hochsicherheitslabor hatte die Maschine ihre Arbeit beendet. Sie ließen sich das Ergebnis auf die Computerkonsole außerhalb des Labors legen. Der Bildschirm zeigte eine Reihe von Basensequenzen. Olivieras Pupillen bewegten sich im Zickzack hin und her, während sie die Zeilen von oben nach unten durchging, und mit jeder Zeile sackte ihr Unterkiefer ein weiteres Stück nach unten.
    »Das gibt's doch nicht«, sagte sie leise.
    »Was gibt's nicht?« Johanson beugte sich über ihre Schulter. Er las es. Zwischen seinen Brauen bildeten sich zwei steile Falten. »Sie sind alle unterschiedlich!«
    »Ja.«
    »Unmöglich! Identische Wesen haben identische DNA.«
    »Wesen einer Spezies – ja.«
    »Aber das sind Wesen einer Spezies.«
    »Die natürliche Mutationsrate ...«
    »Vergessen Sie's!« Johanson wirkte fassungslos. »Die ist weit überschritten. Das da sind unterschiedliche Wesen, allesamt! Keine DNA ist exakt wie die andere.«
    »Auf jeden Fall sind es keine normalen Amöben.«
    »Nein. An denen ist überhaupt nichts normal.«
    »Was dann?«
    Er starrte auf die Ergebnisse.
    »Ich weiß es nicht.«
    »Ich auch nicht.« Oliviera rieb sich die Augen. »Ich weiß nur eines. Dass in der Flasche noch was drin ist. Und dass ich es jetzt brauchen könnte.«
     
     
    Johanson
    Eine Weile surfte sie durch die Datenbanken, um die Sequenzanalyse der Gallert-DNA mit anderswo beschriebenen Analysen zu vergleichen. Direkt zu Anfang stieß Oliviera auf ihren eigenen Befund vom Tag, als sie das Zeug in den Walköpfen untersucht hatte. Damals hatte sie keine Unterschiede in der Abfolge der Basenpaare feststellen können.
    »Ich hätte mehr von diesen Zellen untersuchen müssen«, fluchte sie.
    Johanson schüttelte den Kopf.
    »Vielleicht wären Sie auch dann nicht drauf gestoßen.«
    »Dennoch!«
    »Wie hätten Sie ahnen sollen, dass wir es mit Verschmelzungen von Einzellern zu tun haben. Kommen Sie, Sue, das ist müßig. Denken Sie vorwärts.«
    Oliviera seufzte. »Ja, Sie haben Recht.«
    Sie warf einen Blick auf die Uhr. »Okay, Sigur. Gehen Sie schlafen. Es reicht, wenn sich einer die Nacht um die Ohren schlägt.«
    »Und Sie?«
    »Ich mache weiter. Ich will wissen, ob dieses DNA-Chaos schon anderswo beschrieben wurde.«
    »Wir können uns die Arbeit teilen.«
    »Auf keinen Fall.«
    »Es macht mir nichts aus.«
    »Wirklich, Sigur! Hauen Sie sich aufs Ohr. Sie brauchen Ihren Schönheitsschlaf, ich nicht. Als ich vierzig wurde, hat mir die Natur Falten und Tränensäcke verpasst. Bei mir macht's keinen Unterschied, ob ich wach oder müde aus der Wäsche gucke. Gehen Sie, und nehmen Sie den Rest Ihres köstlichen Rotweins mit, bevor ich meine wissenschaftliche Objektivität damit vertrinke.«
    Johanson hatte den Eindruck, als wolle sie die Sache lieber allein durchfechten. Sie war unzufrieden mit sich selber. Natürlich hatte sienicht die geringste Veranlassung, sich etwas vorzuwerfen, aber vermutlich tat er besser daran, sie in Ruhe zu lassen.
    Er nahm die Flasche und verließ das Labor.
    Draußen stellte er fest, dass er kein bisschen müde war. Jenseits des Polarkreises ging die Zeit verloren. Die vorherrschende Helligkeit dehnte den Tag zur Endlosschleife, unterbrochen von wenigen Stunden Dämmerlicht. Soeben kroch die Sonne, den Blicken entzogen, dicht unter dem Horizont dahin. Mit etwas gutem Willen ließ sich das als Nacht bezeichnen. Psychologisch die beste Gelegenheit, schlafen zu gehen.
    Aber Johanson hatte keine Lust.
    Stattdessen stapfte er die Rampe hinauf.
    Die Ausmaße des riesigen Hangardecks verloren sich in kubistischen Schatten. Immer noch war niemand zu sehen. Er warf einen Blick auf die Stelle, wo sie die Flasche geöffnet hatten, und fand die Kiste in der Dunkelheit verborgen.
    Rubin konnte sie nicht gesehen haben.
    Aber er hatte Rubin gesehen!
    Wozu schlafen? Er sollte sich diese

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