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Der schwarze Atem Gottes

Der schwarze Atem Gottes

Titel: Der schwarze Atem Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Siefener
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vor.
     
    »Sie müssten aber schon lange hier angekommen sein«, meinte Teuffel. »Da ist offenbar etwas schiefgegangen. Also, was ist nun? Möchtest du vielleicht mit uns kommen? Wir könnten dich gut gebrauchen, und die Schauspielerei lernt sich leicht.«
     
    »Wäre es nicht möglich, noch ein wenig zu warten?«, bat Maria.
     
    »Mein Kind, wir haben uns deinetwegen schon in große Gefahr begeben. Jederzeit können uns die Männer des Grafen auf die Spur kommen. Wir müssen jetzt sofort aufbrechen. Zum letzten Mal: Kommst du mit uns?«
     
    Maria schüttelte trotzig den Kopf.
     
    »Nun gut, es ist deine Entscheidung. Wir können nicht länger hierbleiben. Ich wünsche dir und deinen mönchischen Freunden viel Glück und alles Gute. Los, Barthel, wende den Wagen.« Barthel warf Maria einen letzten Blick zu, zuckte die Achseln und lenkte die Pferde in einer Kurve in den Wald zurück. Maria sah dem Wagen mit aufgewühlten Gefühlen nach, bis er im Wald verschwunden war. Dann drehte sie sich um und schaute auf die Lichtung.
     
    Es schien ihr der einsamste Platz der Erde zu sein.
     
    Was war bloß geschehen? Sie ging zu der Hütte zurück und setzte sich neben der Tür ins Gras.
Bin ich etwa verrückt geworden?,
fragte sie sich, als sie sich ein wenig beruhigt hatte.
Der Leiter der Truppe hat mir angeboten, mit ihm zu kommen; ich hätte ein halbwegs geregeltes Leben gehabt und müsste mir nicht von einem Tag auf den nächsten meine Nahrung zusammensuchen.
Sie sprang auf. Da hatte ihr jemand etwas angeboten, nach dem sie sich ihr ganzes elendes Leben lang gesehnt hatte, und sie hatte es abgelehnt, ohne einen tieferen Gedanken daran zu verschwenden. Was für eine Närrin sie doch gewesen war! Sie lief in die Richtung, in welcher der Wagen verschwunden war.
     
    Schon bald blieb sie keuchend stehen. Wollte sie das wirklich? Wollte sie wirklich Schauspielerin werden? War ihr das eigene Wohlergehen wirklich wichtiger als die Sorge um die beiden Mönche? Unsicher schaute sie zurück. Die Lichtung war nicht mehr zu sehen. Maria stand verloren zwischen den Baumriesen, die ihr aus unendlich hohen Kronen leise Windwahrheiten zuflüsterten. Wohin gehörte sie? Nicht zu den Schauspielern, nicht zu den Mönchen, nicht in diesen raunenden Wald, dessen seltsame Fremdartigkeit sie erst langsam begriff. Er lag unter der Schwärze der Nacht da wie ein stilles Tier, das den Schlächter erwartet – ein Tier, das wie kein anderes war: wunderschön, unverständlich, in einem eigenen Raum und einer eigenen Zeit lebend. Und Maria war nichts für dieses Tier: weniger als eine Laus im Pelz eines Straßenköters. Sie lief zurück in die Richtung, aus der sie gekommen war, und war froh, als sie wieder in die Lichtung hinaustrat.
     
    Sie ging noch einmal in die Hütte, aber noch immer gab es hier nicht mehr als kahle Lehmwände, einen gestampften Boden und etwas Brennholz. Die Fenster waren mit Öltuch verhängt. War da nicht ein Geräusch? Ein Brummen und Flüstern? Kam es nicht aus dieser Hütte? Marias Bewegungen gefroren. Sie horchte angestrengt. Nein, es war bloß die Nacht, die um die Hütte und die angrenzenden Bäume spielte. Es war ihr nur wie eine menschliche Stimme vorgekommen.
     
    Martin!,
schrie es in ihr. Er stand fest und aufrecht vor ihrem inneren Auge in seiner bunten Narrenkleidung, in der er ihr so viel besser gefiel als in seinem strengen Habit. Sie vermeinte ihn fast zu riechen: diese etwas herbe Mischung aus Schweiß, feucht gewordener Kleidung und etwas anderem, das sie schier verrückt machte. Endlich gab sie es vor sich selbst zu: Sie hatte sich verliebt. Zum ersten Mal in ihrem Leben. In einen Mönch.
     
    Sie seufzte und setzte sich wieder. Die Wand der Hütte in ihrem Rücken gab ihr das Gefühl, einen Halt in der Welt zu haben. Sie wusste, dass es ein trügerisches Gefühl war. Angestrengt behielt sie die Lichtung im Auge. Von dort müssten die beiden Mönche kommen. Ob sie sich vielleicht verlaufen hatten?
     
    Ein Umriss! Etwas Helles gegen die Schwärze der Waldwand gegenüber Maria! Noch weit entfernt. Der Umriss kam schnell näher. Sie musste an Martins neue, farbenfrohe Kleider denken. Aber wo war der alte Pater? Es war nur ein einzelner Umriss.
     
    Maria sprang auf und lief ihm entgegen. Auch er lief nun schneller; sicherlich hatte er sie erkannt. Sie breitete die Arme aus, rief so laut sie konnte: »Martin!«
     
    Der Umriss blieb stehen.
     
    Jetzt war Maria schon in der Mitte der Lichtung. Warum sah

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