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Der schwarze Atem Gottes

Der schwarze Atem Gottes

Titel: Der schwarze Atem Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Siefener
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Gebrechen betraten. Verwirrt schaute er an sich herab.
     
    Er trug noch die leicht schmutzige Theaterkleidung; nur seine Mütze war verschwunden. Und seine Haare wuchsen noch, sowohl am Kopf, der inzwischen mit einer sehr dünnen Stachelschicht bedeckt war, als auch an Kinn und Wangen. Offensichtlich waren die Körperfunktionen im himmlischen Jerusalem nicht außer Kraft gesetzt.
     
    Er setzte sich ächzend auf und schaute sich um. All dieses Gold, diese edlen Stoffe, die auch hier und da in Bahnen von den Wänden herabhingen und Gletscher oder Wasserfälle nachahmten, diese Edelsteine, die dazwischen wie Tropfen in der Frühlingssonne funkelten, diese erlesenen Möbel aus teuerstem Holz und mit aufwendigen Vergoldungen, diese schlanken Pfeiler mit ihren feinen floralen Kapitellen, die ein unendlich zierliches, beinahe schwerelos in der Luft schwebendes Gewölbe stützten … all das entsprach den kühnsten Vorstellungen des jungen Mönchs vom jenseitigen Orte.
     
    Er reckte und streckte sich und war gar nicht traurig darüber, dass er tot war.
     
    Einzig der Umstand, dass er Maria nicht wiedersehen konnte, nagte wie ein winziger Wurm verstohlen an ihm. Aber – irgendwann würde auch sie hier eintreffen; dessen war er sich sicher. Es erstaunte ihn, dass er sich nach ihr sehnte. Jetzt, da er tot war, konnte er sich selbst gegenüber eingestehen, dass sie ihm sehr viel bedeutete.
     
    Nun ein Bad, und mein Glück wäre vollkommen,
dachte er.
     
    Wie als Antwort auf diesen Gedanken erschienen zwei junge Frauen durch die einzige Tür des hohen Gemaches. Sie waren in lange, wallende Seidenkleider gewandet; ihr Haar war wie ein Kornfeld im Sommer, ihre Haut war wie Milch und Honig, ihr Körper schlängelte und bog sich anmutig unter dem Gewand, und ihre Augen waren sanft wie die eines Rehkitzes.
     
    »Komm mit uns«, sagte die eine. »Wir werden dich baden und salben.«
     
    Er stand auf und folgte ihnen. Der Schmerz in seinem Kopf verblasste. Zusammen verließen sie das Gemach.
     
    Sie führten ihn in eine Badekammer, die nach Tannenwald und Blumenwiese duftete. Dann entkleideten sie ihn. Zuerst war es ihm peinlich, als sie ihm das Wams und das Hemd auszogen, doch schon als sie sich an seiner Hose zu schaffen machten, hatte er seine Scheu verloren. Das hier war schließlich das Paradies, der Hort der Unschuld. Und tatsächlich schenkten die beiden Frauen seinem Gemächt nicht die geringste Aufmerksamkeit. Sie hoben ihn mit unglaublicher Kraft hoch und setzten ihn in die Wanne, die frei in der Mitte des Raumes stand. Einen solchen Luxus hatte Martin noch nie genossen. Dann seiften sie ihn ein. Sie begannen mit seinem Gesicht, und als sie fertig waren und den Schaum mit dem lauwarmen Wasser abgespült hatten, küsste ihn eine der beiden auf den Mund.
     
    Es war wie ein Schock für ihn. Waren hier nicht alle fleischlichen Gelüste erstorben? Dann widmete sie sich seinem haarlosen Brustkorb. Inzwischen hatte sich die andere Frau neben ihn gestellt. Sie beugte sich zu ihm herab und küsste ihn. Dabei steckte sie ihm die Zunge tief in den Mund. Als sie auf seine eigene Zunge traf, durchfuhr ihn ein Schlag, und er spürte, wie in seinem Unterleib etwas heftig reagierte.
     
    Der Kuss hielt an. Er wollte gar kein Ende nehmen. Martin bekam keine Luft mehr. Er versuchte, die Frau wegzudrücken, doch sie war zu stark für ihn. Die andere Frau hatte seine nun steife Rute umfasst und rieb sie langsam und sanft. Dann endete der Kuss. Martin schnappte nach Luft und schlängelte sich aus dem Griff der zweiten Frau. »Was soll das?«, fragte er aufgebracht.
     
    »Wir wollen dich vorbereiten«, sagte jene Frau, die ihn so wild geküsst hatte. Er spürte, wie seine Rute schrumpfte, und war dankbar dafür.
     
    »Worauf?«
     
    »Auf dein Zusammentreffen.«
     
    »Mit wem?« Noch vor einigen Augenblicken hätte er eine solche Frage für lächerlich, ja sogar für blasphemisch gehalten. Wen außer Gott sollte er im Himmel antreffen? Doch er war sich nicht mehr sicher. Er hatte Engel erwartet, die ihn vorbereiteten, nicht aber Frauen, die das Feuer der Lenden in ihm zu entfachen versuchten.
     
    Die eine der beiden Frauen – er konnte sie nicht auseinanderhalten, obwohl sie sich gar nicht ähnlich sahen – reichte ihm ein großes Handtuch, mit dem er sich schamhaft abtrocknete. Dann erhielt er seine alten Kleider zurück. Sie waren noch immer schmutzig. »Mit wem soll ich zusammentreffen?«, fragte er erneut. Wieder erhielt er

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