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Der schwarze Atem Gottes

Der schwarze Atem Gottes

Titel: Der schwarze Atem Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Siefener
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war, doch der Priester hatte auf nichts reagiert, was Martin sagte. Erst als sie vor dem Gefängnis anhielten, erkannte Martin den Grund dafür: Der Priester hatte sich Wachs in die Ohren gestopft – sicherlich war es geweiht –, um sich so vor Zaubersprüchen zu bewahren.
     
    Endlich kam eine Wache und bat den Wärter harsch, das Gittertor aufzuschließen. Die Wache hielt eine Fackel in der Hand; das rote Licht zuckte über die Menschenruinen; manche schlossen die Augen, weil sie diese Helligkeit nicht mehr ertragen konnten, und manche krochen in erbärmlich demütiger Haltung auf die Wache zu und hoben die Hände zu ihr. Der Wachmann beachtete sie kaum; manchmal trat er einen von ihnen zurück in die Finsternis. Dann blieb er vor Martin stehen. »Du bist der Neue?«
     
    Martin nickte.
     
    »Komm.« Der Wächter drehte sich um und ging zurück zum Gitter. Martin stand sofort auf und folgte ihm. Er atmete auf, als er den Kerker hinter sich ließ, und lief dem Wächter behände hinterher. Er wurde über Treppen und durch Gänge hinauf zum Licht geführt und schließlich in einen Raum geleitet, der jenem verblüffend ähnelte, in dem der junge Mönch zusammen mit Suitbertus und Hilarius in Volkach dem Verhör des Hexers beigewohnt hatte. Nur wurde er diesmal genötigt, vor dem Richtertisch zu stehen, während ihn von der anderen Seite her die bohrenden Augen des Richters, des Schreibers, zweier Schöffen und eines Priesters anblitzten.
     
    »Name!«, bellte der Schreiber und hielt seine Feder über das Papier, als wolle er es erstechen.
     
    »Martinus von Eberberg. Benediktinermönch und …«
     
    »Ich habe dich nur nach deinem Namen gefragt!«, geiferte der Schreiber und kratzte mit seiner Feder über das Papier.
     
    Nun griff der Richter ein. Er strich seinen schwarzen Talar zurecht und beugte sich über den Tisch, bis sein Kinn fast auf der Platte lag. »Interessant. Ein Hexer, der Mönch sein will«, sagte er mit brummiger Bärenstimme. »Aber weder deine recht schäbige Kleidung noch deine kümmerliche Haartracht stimmen mit deiner Behauptung überein.«
     
    »Ich kann das erklären«, beeilte sich Martin zu sagen und berichtete getreulich, wie er und Pater Hilarius zu jener Schauspielertruppe gestoßen waren Dabei ließ er auch die abenteuerliche Befreiung des Paters sowie die erzwungene Reise zum Sabbat nicht aus.
     
    »Sehr schön«, sagte der Richter. »Das kommt einem Geständnis gleich.« Dann richtete er sich in seinem hochlehnigen Sessel auf, lächelte die beiden schweigsamen Schöffen an, denen ihre Angst ins Gesicht geschrieben stand, und beugte sich leicht zu dem Priester herüber. »Aber wenn er wirklich ein Mönch ist, bekommen wir Schwierigkeiten. Wir sind schließlich das weltliche Gericht, und falls er Geistlicher ist, fällt er unter die Jurisdiktion des Erzbischofs. Erinnert Ihr Euch, welche Schwierigkeiten uns der liebe Herr Erzbischof das letzte Mal in einem ähnlichen Fall gemacht hat?«
     
    Der Priester nickte schwer und blickte finster drein. Er schien den Erzbischof nicht sonderlich zu mögen. »Es wäre ja nicht das erste Mal, dass einer von uns sich zu dieser schändlichen Sekte geschlagen hat.« Zu Martin gewandt sagte er: »Nun, wie sollen wir überprüfen, ob du die Wahrheit sagst?«
     
    Martin zuckte die Achseln. Er wusste weder, wie er seine Behauptung glaubhaft machen sollte, noch ob es geschickt von ihm gewesen war, auf seine Stellung als Geistlicher zu pochen. Vielleicht wurden die der erzbischöflichen Jurisdiktion Unterworfenen ja sogar noch unbarmherziger behandelt. Aber wenigstens käme er aus diesem schrecklichen Kerker fort.
     
    Und was ist mit Maria?,
fragte er sich.
Sie muss hierbleiben, und ihre Lage ist sicherlich nicht angenehmer als deine. Willst du sie wirklich im Stich lassen?
Dieser Gedanke quälte Martin. Schließlich aber sagte er sich, dass er vielleicht mehr für sie tun konnte, wenn er sich nicht im selben Gefängnis wie sie befand.
     
    Der Geistliche zog die Augenbrauen hoch und grinste. Ihm schien eine Lösung der verzwickten Frage eingefallen zu sein. »Sage das Glaubensbekenntnis auf.«
     
    Martin atmete auf. Nichts leichter als das! Er begann: »Credo in unum Deum, Patrem omnipotentem, factorem caeli et terrae, visibilium omnium et invisibilium. Et in unum Dominum Jesu Christum, Filium Dei unigenitum …« Ohne einen einzigen Fehler sagte er das gesamte Credo auf, und der Priester lächelte, als Martin beim »Amen« angelangt war.
     
    Der

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